Jordan Trail - darab al'urdunu - درب الأردن

Der Weg

  

Neu anzufangen ist nach 7 Jahren Kanaren gar nicht so einfach. Wenn ich davon erzähle bekomme ich als häufigste Frage gestellt: "Und wo geht's als nächstes hin?" So eine richtige Antwort darauf hatte ich gar nicht. 13 Jahre lang wandere ich umher und habe das Gefühl, für mich persönlich alles erreicht zu haben, was ich für mein individuelles Wohlsein finden wollte. Das Ausbrechen aus meinem "normalen" Leben hat garnicht mehr so die Relevanz, jetzt wo Leander schon 6 Jahre alt ist und ein charakterstarker Lebenspartner wird. Meine Art des Wanderns habe ich auf meine Bedürfnisse hin lange perfektioniert. Dass es für andere befremdlich und bemerkenswert ist, mit sehr wenig Gepäck und oftmals barfuß zu wandern, ist für mich alltäglich geworden. Ich habe auch zu Hause keine Schuhe mehr an. Das weiß das ganze Dorf.
Leander lässt sich in all dem anstecken. Ich hoffe, das bleibt noch lange so. Die Komplexität der Welt versuchen wir ihm im Schönen zu zeigen, nicht in den Problemen. Wenn ich ihm sage, ich fliege nach Jordanien, dann denkt er an Wüste, Oasen und Abenteuer. Sage ich es meinem Erwachsenenumfeld ernte ich ausschließlich hochskeptische Blicke. Gefühlt drehen politisch gerade alle durch auf der Weltbühne und Jordanien ist eine Exklave inmitten rumorender Brandherde. Israel, Gaza-Streifen, Syrien, Irak... überall knallt's. Seit einigen Wochen verfolge ich einen YouTuber, der auf seinem Fahrrad ohne Ziel seit Jahren durch die Welt fährt. Von Deutschland und Europa ist er mittlerweile bis weit hinter Afghanistan und Kirgisistan gekommen. Er hat mich eins gelehrt: Setze die Politik eines Landes nicht mit den Menschen gleich.
Die alten Kulturen unserer Erde faszinieren mich eigentlich erst seit kurzer Zeit. Ich weiß nichts über Arabien und den ersten Zivilisationen, die hier vor 10.000 Jahren aufgeblüht sind, nur Vorurteile und Nachrichten über Spannugen und ein bisschen Terra X. Meine Eltern waren auch hier schon vor 50 Jahren. Da war Syrien ein westlich orientiertes, aufstrebendes Land, kein diktatorisch niedergemetzelter Trümmerhaufen. Der Jordan Trail geht durch eine bislang neutrale Zone. Hier ist noch Frieden, wer weiß, ob das so bleibt. Es gibt offiziell keine Reisewarnungen. Dennoch bleiben die Touristen fern. 95% Besuchereinbruch seit dem Anschlag der Hamas auf Israel. Das färbt auf das Nachbarland umittelbar ab. Und auch hier habe ich über die Jahre eins gelernt: Lass dich nicht von den Medien treiben. Schau selbst hin. Also mache ich das.
Das Ziel ist, von der syrischen Grenze 700km lang einem der schönsten Trails der Welt zu folgen, bis hin zum roten Meer ganz im Süden des Landes. Das schaffe ich nicht auf Anhieb. Ich plane den Weg in drei Teilen zu 14 Etappen zu laufen. 2025 soll das erste Zwischenziel das Tote Meer werden. Ich nehme mir bewusst ein paar Tage mehr Zeit. Ich habe etwas Respekt davor, eine für mich unbekannte Kultur kennen zu lernen und das auch noch alleine. Ich werde mich anpassen müssen. Mein Zelt habe ich dabei. Es wird vorwiegend mein zu Hause werden. Darauf freue ich mich besonders. Vieles wird unter freiem Himmel stattfinden. Mein Visum ist beantragt. Die Flüge auch. Alles Weitere ist nicht geplant. Ich lasse es auf mich zukommen.