Etappen

26.09.2015 Kissamos

  

Schön, dass von Paderborn auch noch andere Ziele als Malle und Fuerteventura angeflogen werden, und so waren wir 3 Std. später in Heraklion gelandet. Im Gegensatz zu unseren Mitfliegern wartete aber kein Tui Bus auf uns, um ums zum gewünschten Dreisterne Domizil zu bringen. Auf uns wartete niemand. Also raus, Bushaltestelle in die Stadt suchen. Draußen wirkt alles irgendwie vertraut. Nicht, dass ich hier schon gewesen wäre, aber es hätte auch der Bahnhof von Bilbao sein können, vor dem ich stehe. Es ist warm, laut, einfach, pragmatisch, überall liegen PET-Flaschen herum und die Bürgersteige sehen aus wie Patchworkteppiche, lustlos zusammengeflickt in drei Generationen. Ich hab wieder Elefenatenfüße vom Fliegen, aber ausnahmsweise gar keine Kopfschmerzen. Unsere Haltestelle ist auf der anderen Seite des Touri-Bus-Parkplatzes. Ein Holzkarton, in dem ein junger Mann sitzt und uns zwei Tickets gibt. Linie 6. Wo geht die ab? Direkt vor uns, sagt ein Busfahrer. Wie praktisch. Wir fahren zum Busbahnhof... mehr oder weniger... und kaufen uns ein Ticket nach Chania, einer Stadt im Nordwesten der Insel. Der fährt auch schon in 10 Minuten. Oh, praktisch. Es geht zweieinhalb Stunden über die Landstraße 90. Irritierend finde ich, dass die Beschilderung haargenau so aussieht, wie unsere Autobahnschilder. Hmm... Und die Tüvplaketten an den Autos könnten auch unsere sein. Und alle paar hundert Meter stehen kleine Microkapellen am Straßenrand herum. Manchmal wie ein pompöses Mausoleum, bemalt und gepflegt, mit Vorgarten und Zaun, insgesamt vielleicht 50 Quadratzentimeter Grundstück. Jetzt weiß ich, wo unsere Mäuse hin auswandern, wenn sie nach einer erfolgreich überstandenen Karriere in der Mäuseversuchsanlage Haaren in Rente gehen! Innen sind die Behausungen meist richtig gemütlich möbliert. Plastikblümchen, romantische Kerzenbeleuchtung, Holzfiguren, Laminatboden und Tapeten mit griechischen Kästchenverzierungen und an der Rückwand ein seehr kitschig buntes Jesusgemälde. Viele der Behausungen sind aber anscheinend der Krise zum Opfer gefallen und bestehen aus nicht viel mehr als etwas Blech und dem verblichen Interieur. Alles in allem durchaus ein Spiegelbild im Kleinen dessen, was wir beim Durchfahren der Ortschaften sehen. Strahlende 4 Sterne Anlagen für Touris samt den erwarteten rustikalen Restaurant, die Ortschaften hingegen mit dem Charme einer Oststadt Anfang der 90er. Auffällig viele Läden sind leer. Es wirkt trotzdem schön, was an den vielen Topfpflanzen liegt, die hier nur nicht in Töpfen, sondern überall wachsen und wuchern. In Chiana angekommen brauchen wir einen Bus zum Zielort Kissamos, ganz im Nordwesten. Es regnet Bäche draußen während der Fahrt, alle halbe Stunde einer. Im Hafen beginnt offiziell der E4, unser Sechssterne-zu Hause für die nächsten zwei Wochen... hoffe ich jedenfalls :-) Es stellt sich heraus, der Bus dorthin der ist, in dem wir bereits waren. Das wird ja immer praktischer! Eine Stunde später sitzen wir in einem Strandrestaurant in Kissamos und müssen beim Mittagessen erstmal realisieren, dass wir gerade hier sitzen. Die Sonne guckt auch wieder hervor und verdrängt die Wolken. Das Realisieren und Verdrängen dauert zwei Stunden und ein paar Souflaki und dann fühlen wir uns wohl. Es ist nichts los. Nebensaison. Die Kellner sind zu vielen Späßen in vielen Sprachen aufgelegt, selbst norwegisch. "Das müssen wir auch", sagt einer der Kellner am Nebentisch, der gerade den Regenschutz mit Hilfe einer Bohrmaschinenkurbelkonstruktion Marke Eigenbau einfährt. "Seht es so: wir haben Spaß, ihr kommt nächstes Jahr wieder und die Wirtschaft ist gerettet." Na darauf noch ein Knoblauchbrot mit Kartoffelbreidips.
Wir beschließen den E4 zu suchen und loszugehen. Schnell noch Wasser, Kekse und Duschbad holen in einem Laden, der zwar schon zu hat, aber die Besitzerin skypet noch am Computer, der auch Kasse ist, also wurscht. Beim Bezahlen winkt uns der dreijährige Enkel auf dem Monitor neben großen "6,40 Euro"-Ziffern zu. Wir winken zurück und ziehen ab in die Berge hinter Kissamos. Olivenhaine bis zu den Gipfeln. Der Lärm verschwindet und es wird richtig schön. Um 19 Uhr suchen wir uns ein geschütztes Plätzchen unter Oliven. Das wurde auch Zeit. 20 Minuten nach Sonnenuntergang war es duster. Unser neues zu Hause, ein gigaultraleichtes 3-Mann-Zeltdomizil mit zwei Ausgängen und Terrasse. Das ist viel schöner als die beiden Einmannzelte in Grönland. Und es wiegt kurioserweise ebenfalls nur 1,7kg. Irgendwo meckern Ziegen und ein Dauertonzirpen setzt ein. So kann es von mir aus weitergehen.