Etappen

06.10.2015 Loutro

  

Wir verlassen das kleine Nest in Richtung Osten über einen glasklaren, kalten Bach, der aus der Samariaschlucht herabrinsalt. Ich glaub, das ist der zweite Bach bislang, den wir sehen. In dem anderen haben wir uns vor einer Woche gewaschen. Komisch. Das kommt mir schon so lange her vor. Dabei fällt mir auf, dass es hier gar keine bewässerten Olivenplantagen seit Palaiochora mehr gibt und auch kein Müll in den Straßengräben. Je kleiner die Orte werden, desto mehr geben die Leute acht, scheint mir. Auf dem E4 selbst entlang der Küste verhält es sich glücklicherweise wie in Grönland. Jeder nimmt sein Zeug mit und nichts wird fallen gelassen.
Es geht weiter an einem langen Küstenbogen. Der Weg ist eine Autobahn verglichen mit der vorhergehenden Etappe. Es geht lange am Wasser entlang, bis nach zwei Stunden auf einmal eine Steuersparmaßnahme in Form einer unfertigen Restaurantbaracke auftaucht, auf die drei Schlafräume aus Holz gezimmert wurden, mitten im Nichts. Es gibt Plumsklos, eine Improdusche, ein Diesel sorgt für Strom. Wir machen eine Bade- und Colapause. Die Gesellschaft ist merkwürdig. Geführt wird das Etablissement von einem griechsichen Althippie. Bob Marley rumpelt aus zwei alten Böxlis. Mehrere Herren um die 60, alles recht spießig wirkende Deutsche, machen mit ihm einen auf Old Friends. Macht den Anschein, als wären sie zum 20. Mal hier. Und er spielt mit, umarmt ungelenk, nimmt deutschen Korn als Gastgeschenk entgegen, grinst. Sie scheinen alle irgendwie stolz darauf zu sein mit dem Betreiber so voll auf Du zu sein und so, benehmen sich dabei aber wie Beamte an der Deutsch-deutschen Grenze. Naja, vielleicht öden sie ja zu Hause abseits des kretischen Freiheitsgefühls auch nur als Abteilungsleiter des Rechnungswesens vor sich hin. Hier können sie dann endlich so sein, wie sie eigentlich auch nicht sind.
Die Cola ist teuer, aber ich bin fein geduscht. Die "Autobahn" führt als gut erhaltener alter Eselsweg latent ansteigend 10km weiter entlang der Küste, bis wir nach karger werdender, landschaftlicher Gleichförmigkeit eine Minibucht mit Barterasse erreichen. Loutro wird ausgeschildert, man sieht aber nur Steppe und Meer. Viele Gäste hier dafür, dass sonst nichts hier ist. Wir essen ein Eis und Fruchtsalat. Um 17 Uhr kommen 4 Boote und nehmen alle Gäste außer uns und ein paar andere Wanderer mit hinter die nächste Landzunge in geschätzten 3km Luftlinie. Alles klar, da muss Loutro versteckt sein. Zwei Stunden später erreichen wir den Ort. Eine kleine, straßenlose Exklave, die wie Speiß an die Steilwände einer halbrunden Bucht geklatscht daliegt und scheinbar nur den Zweck hat Touristen aufzunehmen und in dutzenden Strandlokalen satt zu kriegen. Einst war das sicherlich ein abgelegenes Fischerdörfchen. Davon ist aber nichts mehr zu erkennen. Dennoch. Es ist malerisch und seltsam gemütlich, ruhig und gelassen. Loutro hat Ähnlichkeit mit Cudillero in Spanien... hmm... oder mit Minastirith in Gondor ;-) Die Küstenfähre ist der einzige Ausgang zur Welt... oder der E4 halt. Es gibt keine Straßen, nur kleine Gässchen, die die Häuser auf mehreren Terassenebenen miteinander verbinden und das ganze Dorfgebilde als geschlossene, weißblaue Einheit erscheinen lassen. Der E4 führt zwischen den Gästen mitten durch die Restaurants hindurch. Sehr clever. Alle bieten "Rooms" an. Wir haben Glück, es ist gut besucht hier und wir bekommen eins der letzten Zimmer ganz oben am Hang, ein paar Treppen hinauf. Ein Studio mit Feigenbaum vor der Tür. Die Dinger sind auch noch reif... njaaam! Naja semi-njam, Frances schwärmt dafür. Ich nicht so. Hab das Gefühl ich beiße in eine Orange mit Sandkörnern drin. Aber gut, jetzt kenne ich Feige nicht nur als Getränkesirup im Fitnessstudio. Wir beschließen unten im Supermarkt Brot, Käse, Oliven und Wein zu kaufen und ich gehe in der Hafenbucht noch kurz den Schweiß wegbaden. Schöner, entspannter Weg und ein würdiges Ziel für heute.