Etappen

14.06.2016 Herr Bunt entspannt sich

  

Meer. Das Blaue Gewaber heißt Meer und hat wahrscheinlich unendlich viel Raum, so lange, wie wir heute daran entlanggelaufen sind... Oje. Ich fühle mich verloren. Hab letztens im Fernsehen eine Trickserie mit einer Maus gesehen, die auf einem kreisrunden Kugelraum namens Mars gelebt hat und immer im Kreis lief. Ganz allein... Ich will aber nicht so allein sein! Zu Hause in meiner Schublade sind alle meine Freunde. Meistens liegen sie unter mir, weil ich im Vergleich noch recht häufig von meinen Häklern gequetscht werde, bis mir die Watte aus den Poren quillt.
Da sind eitler Gipsschornsteinfeger, lustiges Buch, geschmeidige Creme, elektrisierendes USB-kabel und mein allerbester Freund Diskette! Was die immer für Geschichten zu erzählen weiß! Niemand weiß was die hier macht, aber sie war schon vor allen anderen da. Sie meinte, sie ist schon drei Leben alt und hat einst in einer Schublade namens "Laufwerk" gewohnt, die von Zeit zu Zeit Karussel gespielt und ihr dabei mit einem Kopf rhythmisch das Innere massiert hat. Das klingt herrlich! Aber Diskette meint, das waren noch andere Zeiten. Heute berührt man sich in Laufwerken nicht mehr so ungezwungen. Man hält peinlich genau einen vornehmen Abstand und überwacht diesen sogar mit Laser. Na da werde ich doch lieber gequetscht.
Aber wie mach ich Meer zu meinem Freund? Oliver sagt, Meer ist zum entspannen da. Und das scheint so einfach zu gehen wie wenn sich Menschen wie Würstchen selbst grillen, wenn ich mich hier umschaue. Sie holen sich aus ihrer Verpackung, legen sich auf einen Grill mit Oberhitze und wenden sich von selbst, wenn sie auf einer Seite braun und knusprig sind. Manche bekommen sogar rote Köpfe und Schultern dabei... wie ich! Später versinken sie im Meer, um sich abzuschrecken. Vielleicht löst das die Haut besser von ihrem Fleisch. Das wäre logisch, denn das geht bei Eiern ja auch, hab ich schon unten in der Küche gesehen! Komisch, Oberhitze gab's in Edinborough aber nicht, obwohl die angeblich an der selben Decke montiert ist wie hier. Vielleicht bin ich auch zu klein. Ich kann ja kaum über diese Hügel und Mulden im Teppich gucken. Immer wenn ein gares Menschenwürstchen auf dem Weg zum Abschrecken darauf rumstapft, entsteht eine Neue. Hmmm... Flauschig ist der Teppich ja. Na gut, dann probier ich jetzt auch mal dieses Entspannen. Aber ohne Grill, das ist mir irgendwie zu unheimlich. Ich leg mich in eine dieser Teppichmulden.

Herr Oliver:
Heute lief alles anders als geplant. Agia Galini liegt direkt im Knick, an dem Kreta nach Süden hin abfällt. Die Küste schien auf der Topokarte unwegsam und dazwischen liegt ein Militärflughafen. Ziel war, 25km durchs Inland auf Straßen bis runter an die Südküste zu gelangen. Nach 4h raus aus Agia Galini und 400 hm rauf runter rauf runter bin ich dem Ziel 2km näher gekommen, obwohl ich schon 12 km gelaufen sein soll. So wird das nichts. Vor mir im Tal erstreckte sich eine gewaltige Westküste. Mich zog es auf einem Umweg zurück an die Küste. Muss ja kein Gewaltmarsch werden. Unten an einem total abgeranzten Touriörtchen mit gestrandetem Frachtschiff als Aussicht begann der Strand mit ordentlich Wellengang. Westküste halt. 10km weiter sollte er am nächsten Ort enden. Muss man nur hinterm Flughafen her. Und es war herrlich. Ewig lange am Wasser entlang wandern und kein Mensch nirgendwo, bis schließlich hinter einer Steilküste Kalamaki auftaucht, mein Ziel für heute. Bis an die Südküste sinds von hier aus noch 11km Luftlinie. Das sollte morgen viel besser zu schaffen sein.