Etappen

27.05.2017 Tsoutsouros

  

Ich wache auf und es grummelt um mich herum. Draußen scheint die Sonne nur ab und an kurz. Sehr gut, das Wetter hält, was es verspricht. Vor mir liegen 42km Steppenlauf. Da kann ich gerne auf die gelbe Sau verzichten. Also geht's los. Das Donnern kommt von unten. Blitze auch. Das ist schräg. Und beängstigend auch. Aber es regnet nicht. Also erstmal zur nächsten Kapelle. Totenstill ists. Kein Vogel. Nur Dauergrummeln in Surround, das wohl eher auf See entsteht. Mich streifen nur ab und an die Wolken. Aber wenn sie es tun, wird es sofort 10 Grad kälter und das Licht wird dämmrig. Und ich bekomme allmählich einen Tröpfchenflaum auf der Haut. Und so schlängelt sich mein Weg viele Kilometer über einen 800-900m hohen Bergkamm, während unter mir die Welt immer finsterer wird. Hier oben sind Wiesen! So richtig echte mit Gras! Auf Kreta sehe ich das zum ersten Mal. Man hat viel Weitblick, mal rechts in die See, mal links in das weitläufige, olivenbaumgrüne Tal im Inland... moment mal... Wo ist das denn hin? Das sieht auf einmal nach Meer aus. Nach Wolkenmeer und es schiebt sich über die Wiesen, verschlingt sie, hüllt mich ein und dann geht's los. Ein Platzregen vom feinsten, der weh tut auf der Haut. Tropfen so groß wie Bonbons. Ha! Egal! Ich hab die Röhre! Alles außer meine Badehose wird verstaut. Herrlich! Duschen!
Erstaunlich, wie sich hier jetzt in Sekunden rechts und links von meiner Piste Sturzbäche voller Sedimente bilden. Dann kommt heftiger Wind dazu. Jo. Das wars dann mit warm. Ich transformiere zum blauem Gäneebraten. Das einzige was hilft, ist in Bewegung zu bleiben, bis ich bei km 26 in einer Ansammlung von Häusern eintreffe. Die Bergdörfer hier oben sind sehr komisch. Meist ein zusammengewürfelter Haufen von Dauerbaustellen und im Zentrum irgendwas "Nettes", das die EU gesponsert hat. Hier: ein Basketballplatz. Wow. Ich zähle zwei Kinder hier. Fehlen nur noch 8. Damit die kommen, wurde ein 2,5 Mio. Euro Highway ins Dorf gebaut. Perfekt für mich zum Schnellwandern, zumal die Frequenz bei etwa 1 Auto pro Stunde liegt. Pause mache ich an einem Marmordenkmal, auf dem eine Marmortaube ohne Kopf tront. Darunter steht irgendwas von wegen 1973 und Demokratie. Dahinter ein Freizeitplatz mit Bänken, zwischen denen 1m Hohe Disteln mit gewaltigen violetten Puschelblüten wachsen. Ein durchs UV Licht braun gebranntes Plexiglasschild verrät, dass man 2011 einen Wanderweg hier entlang gelegt hat und das hier ein Rastplatz inkl. politischer Zeigefingerkultur sein soll. Fühle mich wie bei Lost... der Serie, wo man anfangs über die obsoleten Strukturen der Dharmainitiative rätselt. "Was mag das alles nur bedeuten."
Alles öffentlich Gebaute wirkt wie ein miserabel umgesetzter guter Wille frei nach dem Motto: erst das Schwimmbad, dann kommen die jungen Familien von ganz allein und retten die Dörfer vor dem Aussterben. Augenscheinlich war das nix.
Für mich geht's weiter. Noch 14km bis Tsoutsouros und ans Meer, über eine Piste, die so viele Sedimentflüsse wie heute erlebt hat, dass alles außer Geländewagen lebensmüde wäre. Aber es ist eine offizielle Zugangsstraße und sie schlängelt sich stetig, zum Leidwesen meiner Knie, von 850 auf 0m hinab.
Und ich habs geschafft, aber bin Brei. Das war hart und meine Füße kribbeln bei jedem weiteren Kiselsteinchen. Egal. War ja zu erwarten. Morgen wirds easy. 10km oder so, mal gucken. Ich will ausgiebig planschen! Für heute will ich nichts weiter mehr sehen als griechischen Salat und mein vorzügliches Einsternedomizil.