Todos los colores brillan alrededor del
Camino de Los Alto

18.08.2022 Berlin

  

Berlin erkunden wollen wir. Das ist immer eine Herausforderung für mich: finde die drei Dinge, die du tun willst, wenn 1000 Dinge möglich sind. Heute soll es heiß werden. Das macht die Sache einfacher. Das Hotel hat einen Steg an einem Ausläufer der Havel. Daran festgetäut liegt ein unscheinbares rosa Flamingo-Tretboot. Wir nehmen es und fahren auf Hohe See. Auf der Havel angekommen, hat das alles echt was von Venedig. Es ist massig Verkehr und die Wellen vermitteln das Gefühl nicht voranzukommen. Man kann theoretisch von hier aus bis Berlin Mitte oder Potsdam paddeln. Wohnte ich hier, hätte ich vermutlich ein kleines Boot, um das zu tun. Die Ufer sind allesamt durch Holz-Wellebrecher geschützt. Schon erstaunlich, wie grün es in unmittelbarer Nähe Berlins und auch innerhalb der Stadt ist. Ob es die Walsbühne, Parks, oder Gassen sind, es gibt immer wieder, für eine Metropole unwirklich wirkende Rückzugspunkte, die die Hauptstadt Deutschlands vergessen machen.
Am Nachmittag sind es schon 35 Grad und es braucht dringend klimatisierte Kultur in Form einer Renaissanceausstellung in einer entwidmeten Kirche. Ein riesiger David Michelangelos Bilder das Zentrum und wird multimedial aufwändig und eindrucksvoll inszeniert, während rings um ihn die vier wichtigen Schaffensgenossen dieser Epoche ausführlich beschrieben werden. Die Inszenierung ist großartig, aber abgesehen von der technischen Zur-Schau-Stellung frage ich mich, wie das den Sinn der Sache ergänzt. Frances stellt es gar nicht in Frage und findet es einfach nur toll. Ich glaube, beide Sichtweisen haben ihre Daseinsberechtigung.
Wir merken, wie wir beide diesen Tag dringend ausreizen wollen. Nicht nur Allein-sein-Zeit für große Wanderungen ist selten geworden. Auch Paarzeit ist in der Form ein, vielleicht zweimal im Jahr möglich und es dauert tatsächlich auch einen ganzen Tag, bis wir zueinanderfinden. Zeiten wie diesen müssen darüber hinaus exakt geplant werden, viele Zahnräder müssen ineinander greifen. Und wehe dem, man hat sich dann auf Teneriffa eine bakterielle Entzündung eingefangen, dann war alles umsonst. „Naja, nächstes Jahr wieder.“, muss man sich dann sagen oder „Es wird besser werden.“ Aber der Frust ist gefährlich.
Nicht heute. Alles ist perfekt. Zum Abend gehen wir in ein vietnamesisches Restaurant am Alexanderplatz und zelebrieren uns mit einer Fischplatte. Viele Asiaten sind hier. Das ist gut. Das Essen erst recht. Sowas bekommen die All-you-can-eat-Tempel nicht hin.
Zum Abschluss gehen wir bis Mitternacht in die Vabali-Thermr hinter dem Hauptbahnhof, die auch als Nachspeise zum Essen gesehen werden könnte und inmitten einer kleinen Waldanlage liegt. Ich merke, wie in anbetracht der fehlenden Möglichkeiten innerhalb des Jahres gestern und heute Kosten schlicht egal sind. Ich halte mich nicht auf mit der Frage nach günstigeren Alternativen, wenn Paarzeit so selten wird, dass wir aufpassen müssen uns in der Alltagsmaschinerie nicht aus der gegenseitigen Wahrnehmung zu verlieren.
Zum Abschluss setzen wir uns eher unfreiwillig einer neuen Beförderungsvariante aus, weil kein Bus zurück zum Hotel fährt. Per Google lassen sich private Taxiunternehmen einfach buchen und bezahlen und sie stehen dann auch einfach da und bringen uns zum Ziel. Was wären diese Geschäftsideen wert, wenn Google einmal ausfallen sollte. Mir wird bei sowas erst bewusst, wie selbstverständlich Internet sich in den Alltag einprägt und wie abhängig wir zukünftig von dessen Funktion noch sein werden. Auch eine Teneriffa Reiseit all seinen Wendungen und Alternativen wäre undenkbar, wenn es nicht jederrzeit von überall aus ummodelliert werden könnte, Bezahlungen und Bestätigungen so schnell erfolgen, dass man bei 5 Minuten Verspätung einer E-Mail schon ungeduldig wird und Papierbelege schlicht nur noch lästig sind. Restaurant eben zahlte ein Asiate mit seinem Fingerring, den er auf das EC-Gerät legte. Nicht mehr weit weg vom RFID-Chip unter der Haut, denke ich.