Bevor es losgeht - Christina und Karl auf dem Weg zum Nordkap!

06.08.2016 - 28.08.2016

06.08.2016: Tag 1 oder: erstmal rauskommen lernen ...

Start: Kilometer 0
oder anders gesagt zu Hause unter der heimischen Dusche
(zum Wachwerden)

Halb 11 morgens auf der Fähre kurz hinter Travemünde auf dem Weg nach Trelleborg, ein Platz auf dem Sonnendeck. Gefühlt ist es irgendwo um die 15 Uhr, sagt zumindest der Bauch beim Betrachten des Angebots für das angepriesene Frühstücksbuffet. Zum Glück haben wir gestern noch schnell Würtschen, kleine Käse und jede Menge Gemüse eingepackt. Die Schokolade und die Energy Drinks waren heute früh schon bitter nötig. Um 2 Uhr war die Nacht auch schon wieder zu Ende, im Hintergrund noch etwas von der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Rio.
Gestern um diese Zeit saß ich noch im Büro. Karl hatte zum Glück schon den größten Teil der Woche Zeit einiges für die Reise vorzubereiten. Für mich ging alles viel zu schnell. Statt Campingtisch auf dem Sonnendeck für die nächsten 8 Stunden könnte ich mir jetzt auch einen Tag auf dem Sofa vorstellen und voher Ausschlafen; alles zu anstregend. Aber wir wollen die kommenden 3 Wochen ja voll auskosten, so ist zumindest der Plan.

Normalerweise startet der Nordkap-Reisende in Oslo, die Kilometerrechnung der Routenbeschreibungen und Campingführer startet erst dort mit "0". Wir dagegen müssen die Idee natürlich genau nehmen. Offizieller Start der Europastraße 6 ist nämlich Trelleborg, die Südspitze Schwedens. Halbe Sachen sind nicht so unser Ding. ;-)

Der Traum zum Nordkap zu fahren kam irgendwann mit 11 auf. Oliver und meine Mama hatten sich damals per Bustour als Belohnung für Olivers bestandene Abitur auf den Weg gemacht und kamen mir jeder Menge Fotos und Eindrücke zurück. Die Möglichkeit, das Nordkap bequem mit dem Kreuzfahrtschiff zu erreichen, gab es zum Glück noch nicht, die Hurtigruten waren noch als "altbacken" und "viel zu teuer" verschrien. Die Vorstellung ein so weites Ziel Kilometer für Kilometer zu erreichen, hat mich fasziniert. Und Karl zum Glück auch!

Wann die Idee bei uns konkret aufkam, weiß ich nicht mehr, geschwärmt für Norwegen haben wir beide schon immer. Vor 2 Jahren in der Mojave-Wüste in Nevada bzw. Kalifornien, der erste kleine Roadtrip-Test zu zweit ... hier sei angemerkt, dass es in den USA nicht all zu optimal erscheint für ein Abenteuer durch das Death Valley gerade einen Mazda 2 zu wählen, aber so kann man mal selbst einen schönen Stau auf der Passstraße nach Los Angeles produzieren und morgens sucht man sein Auto vergeblich zwischen den riesigen SUVs am Motel. Letztes Jahr dann die erste Fernwanderung mit Zelten in der Wildness, wir haben die Große Bärenrunde am finnischen Polarkreis beschritten. Zwar nur knapp 100 Kilometer und 5 Tage, hat aber gereicht um eindeutig Gefallen daran zu finden. Und außerdem, der Waldboden ist tatsächlich weicher als eine Holzpritsche in einer Hütte, und Finnen sind nicht immun gegen diese Millarden an Mücken wie alle immer sagen.

Als wir im Winter dann unseren kleinen VW Fox gegen den deutlich leistungsstärken Toyota Avensis getauscht haben war klar, dem Traum vom Nordkap oder ein Roadtrip über 5.000 Kilometer steht nichts mehr im Wege. Und zwar als Hochzeitsreise! Die Einscheidung dafür viel nicht schwer, Norwegen verbindet und fasziniert uns beide. Also: Fähre statt Kreuzfahrtschiff, Zelt und Hütte statt Honey-Moon-Suite, Karls geniale Bulgur-Mischung, Kartoffelbrei und andere spontane Leckereien vom Camping-Kocher statt Luxusbuffet. Ein bisschen andere Flitterwochen, aber da sind wir nicht die Einzigen, wie ich immer wieder feststelle. Da muss man sich schon gut kennen und aushalten können.

Die letzten Wochen waren nicht gerade einfach, haben vieles auf den Kopf gestellt. Abschalten und von heute auf morgen am Strand liegen und Nichts tun würde für uns beide nicht gehen. Ich muss irgendwie vorankommen, den Kopf frei bekommen, über andere Dinge nachdenken. Und endlich etwas gegen die Panik tun, dass man so viel von der Welt verpassen könnte. Jetzt muss ich mich nur noch darauf einlassen. Das gute ist, mit Karl geht das, wie mit keinem Anderen!

Ziel unserer Route ist das Nordkap, geplant ist der 21.08.2016. Nach der morgigen Übernachtung in Oslo ist nichts mehr fest geplant. Keine Kilometervorgabe, keine Übernachtungsmöglichkeit. Ein Abstecher auf die Lofoten soll drin sein, genauso nach Tromsö und Hammerfest.
Zurück wählen wir die Strecke über Finnland, die meisten entscheiden sich für Schweden. Aber uns zieht es vor allem zurück nach Kuusamo, zurück zur Großen Bärenrunde vom letzten Jahr, wieder hinein in den Oulanka Nationalpark ... denn da gibt es ja noch die Kleine Bärenrunde ...

 

Mal sehen, was uns erwartet ...
Oder wie das Navi meint "Auf E6 bleiben" ... ja machen wir, mindestens noch 2.500 km :-)

 

Etappenziel um 22 Uhr: Endlich Göteborg!



07.08.2016: Tag 2 - Kilometer 1000 - Norwegischer Start mit Moose-Burger

Ein bisschen mehr schlafen als 2 Stunden ist schon was Feines. Und zur Krönung gibt es ein super duper "ökologisches" Frühstücksbuffet. Soll wohl heißen, dass der ganze Haufen Cherrytomaten irgendwo vom Biohof kommt, daneben der leckere Haufen schwedische Fleischbällchen, Rührei, kleine Würstchen, eingelegter Hering und danach noch schwedischer Joghurt mit Haferbrei und Apfelmus. Neben dem Buffet raucht ein Kamin vor sich hin. Stammt wohl noch alles aus der Zeit in der Jamie Olivier die Scandic Hotels in Schweden und Dänemark essenstechnisch hipp gemacht hat.

Und schon sind wir zurück auf die E6, heute gerade mal 300 km in die norwegische Hauptstadt. Die norwegische Grenze übersieht man fast, da war ja die momentan provisorisch installierte Landesgrenze zum dänischen Festland spannender.

Die ersten Tunnel, aber Karl und ich haben spätestens jetzt etwas ganz anderes zum Zählen bis zum Nordkap gefunden: den Tesla S, Norwegen ist der beste Absatzmarkt, kein Wunder bei den Stromverhältnissen. Später in Oslo fährt mich so einer in grau noch fast um, seltsam wenn ein Sportwagen ohne Motorengeräusch auskommt.

Angekommen im Anker Hostel, auf Empfehlung von Oliver, werden wir gleich ins zugehörige Hotel nebenein upgegradet. So sparen wir uns das Bettwäsche-Aufziehen ;-)
Aber Oslo empfängt uns im tiefsten grau, irgendwo im Hintergrund sind man noch so gerade die beiden Türme vom Rathaus, die Color Line tutet zur Abfahrt zurück nach Kiel durch den Oslo Fjord.
Irgendwann am frühen Abend reicht es uns und wir ziehen trotzdem los. Entlag der gesamten Stadt am Fjord gibt es einen knapp 10 Kilometer langen Wanderweg mit Infos zur Geschichte der Stadt. So kommen wir auch zur berühmten weißen Oper dessen Dach man tatsächlich besteigen kann. 2008, als ich das erste Mal mit Oliver in Oslo war, war die noch nicht fertiggestellt. Wir bekommen einen wunderbaren Blick über die Stadt, Karl sieht wo sein Büro bei pwc in Norwegen sein könnte, die bauen gerade quasi ihre eigene Hafen City. Gegenüber ist das Terminal der Stena Line, hier fährt die Fähre nach Frederikshavn in Norddänemark ab. Dort waren wir noch vor knapp 5 Wochen an einem der direkten Tage nach unserer Hochzeit. Für mich ist das eine Kindheitserinnerung: Bei den Dänemark-Urlauben mit der Familie stand Fähre-Gucken immer hoch im Kurs. Mit einem Softeis wurde sich so lange an die Hafenmauer gesetzt und beobachtet wie die ganzen Autos und LKWs auf die Fähre fahren, bis es mit einem lauten "Tuuut" Richtung Norwegen ging. Und jetzt das Ganze von der anderen Seite aus.:-)

Aber wir haben zu viel Hunger ... und in Oslo gibt es ein Hard Rock Cafe! Da müssen wir hin!
Für Karl gibt es den Local Legendary Burger. Den gibt es in jedem HRC, immer irgendwie typisch für das Land bepackt. In diesem Fall mit einem Patty aus Elch-Fleisch, heimischen Käse und Preiselbeeren. Eigentlich bin ich doch "Elch-Vegetarier" ... mist, ging nicht anders. ...

Morgen geht es endlich hinaus in die norwegische Weite. Hoffentlich wird das Wetter besser.



08.08.2016: Tag 3 - Kilometer "1.300 und ein bisschen" (Karl)

Es regnet ... aber zumindest das Frühstück verheißt Gutes ... ab in die die hiesige Frühstückskantine im Jugendherbergsstyle mit pinken Platikstühlen, aber die Auswahl passt. Was gibt es besseres als skandinvisches Frühstück mit Fischfrikadellen und etlichen Sorten eingelegtem Hering? Das ist immer wieder ein Erlebnis wenn man sich dann doch noch für Marmelade oder das Nutella Glas entscheidet. Egal was drin ist, im nächsten Pöttchen daneben ist immer was mit Fisch ...Geruchsoase!

Als wir wieder in unserem Zimmer mit eingebautem Blick über die nähere Innenstadt stehten geht über dem Oslo-Fjord die Sonne auf. Das wollen wir uns nicht entgehen lassen! Dank Offline-Karte vom Navi schlengeln wir uns hinauf zum Holmenkollen, die einzige freistehende Skisprung-Schanze überhaupt, und genießen den Blick über den Fjord und die darunter liegende Stadt. Die Color Line aus Kiel hat gerade angelegt.
Oslo wirkt unheimlich grün. Dank der vielen Hügel fehlt es an Wohnblöcken wie es an den Stadträndern von Stockholm, Kopenhagen und auch Helsinki normal ist. Wenn ich könnte, würde ich eines dieser wunderbaren Holzhäuser mit unverbautem Blick mitnehmen und in Paderborn wieder aufbauen. Selbst die Straßenbahn fährt hier hinauf.

Es geht zurück in die Innenstadt, denn der Shop vom Hard Rock Cafe hatte gestern Abend um 22 Uhr schon geschlossen, Frechheit! Aber Karl braucht sein typisches City Tee, mein letztes Shirt vom Osloer HRC geht höchstens noch als Nachthemd durch.
Im Anschluss noch eine Kugel Eis bei "Ben & Jerry´s" ... das ist göttlich und sollte es bei uns auch endlich in Eisdielen-Form geben und nicht nur im Supermarkt. Für mich gibt es Bananeneis mit Schokostücken in Peacezeichen-Form, für Karl Blueberry-Cheesecake und "Phishfood" (Schokoeis mit Teigstücken und Schokostücken in Fischform).

Zurück auf der E6, nun also endgültig raus in die norwegische Weite. 2.500 km klingen für 12 Tage, die uns bis zur geplanten Ankuft auf der Nordkap-Insel zur Verfügung stehen, als nicht übermäßig viel, bei einer Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h, größtenteils auch nur 50 km/h wirkt der erste Eindruck schnell anders. Einige Kilometer hinter Oslo verläuft sich die E6 als Ader aus der Stadt, spätenstens hinter Lilleheimer hat uns Norwegen mit seiner beeindruckenden und doch so wechselhaften Natur gefangen. Die Tempovorschriften ermöglichen es überhaupt alles in Ruhe genießen zu können. Keiner drängelt, Karl fühlt sich aber irgendwann seltsam verfolgt. ;-)

Was machen eigentlich die Tesla (Model S)? Gestern waren wir bei 6 ... jetzt bei 40? Die ganzen kleinen Varianten von BMW und VW zähler wir nicht mehr. Die Norweger sind einfach zu cool für die Straße, kaufen kann man gleich hier vor Ort. Wer weiß, vielleicht tauschen wir unseren zwischendurch ja noch um. ;-)

Am Abend erreichen wir Dombås, der Eingang zum Dovrefjell. Eigentlich ist Dombås nur ein Verkehrsknotenpunkt, hier kreuzen Europastraße auf Eisenbahn, und die Reisebusse voller Touristen treffen auf die ersten Trolle und Norweger Pullis. Wir nutzen den Ort für einen Stop im Supermarkt, denn heute steht unsere Campingküche auf dem Speiseplan.
In der Zwischenzeit sind tief dunkle Wolken aufgezogen, der Wind pfeift mit 11 m/s über das Fjell, nur nur Sträucher und es liegen die letzten übrig gebliebenen Schneereste auf den Gipfel, die das Dovrefjell umranden. Was eine gewaltige Weite. Irgendwie geht es rechts ab, 800 m auf eine Schotterpiste, genau hinein ins Fjell. Unser Domezil ist das Furuhaugli Camping, hier haben wir gestern noch die letzte kleine Hütte erwischt. Wenn auch keine "Luxusvariante" mit eigenem Bad und fließendem Wasser ... nee die sind heute von einem Haufen Chinesen besetzt, die besetzten vor allem das W-Lan ... unsere Variante erinnert an Finnland, nur mit Strom und einem weicheren Untergrund zum Schlafen. Der Ausblick, dass man hier heiß duschen kann, macht mich zuversichtlich. Denn draußen ist es nun wirklich kalt geworden, vielleicht gerade mal 10 Grad.

Zum Essen zaubern wir uns unseren geliebten Outdoor-Kartoffelbrei mit getrockneten Tomaten und Basilikum, dazu Salat und norwegisches Bier.Im Hintergrund läuft leise Coldplay.

Es brauch noch einen Moment länger um Anzukommen ...



09.08.2016: Tag 4 - Auf nach Trondheim

Am Morgen ist kein Fjell mehr da, um uns herum nur noch Berge aus Wolken, es tröpfelt leise und es ist ganz ruhig obwohl unsere Hütte mitten im Camping-Areal steht. Hochebenen haben etwas Faszinierendes. Irgendwie bedrohlich, aber sie geben einen Blick auf die gefühlte Unendlichkeit dieses Landes oder der Welt überhaupt. Immerhin braucht es mindestens zwei Kartenseiten im Tischdeckenformat um Norwegen lesbar auf Papier zu bringen, zu Hause hab ich mich zur Vorbereitung am liebstens mitten auf die Karte gesetzt.

Obwohl es gar nicht so früh ist, ist auf dem Platz nichts los. Die Chinesen haben wohl direkt im Haupthaus übernachtet. Eine Stunde später atmet auch das W-Lan wieder durch. Ein norwegisches Pärchen hat sich keine 50 Meter entfernt in einem kleinen Zelt gemütlich gemacht. Ich beneide sie nicht und dabei haben wir noch nichtmal eine Luxusunterkunft. Den Duschbereich hab ich aber ganz für mich. Zurück in der Hütte gibt es Outdoor-Frühstück, dank Kochplatte auch in warm: Früchtemüsli mit frischem Apfel in warmer Vanille-Milch. Göttlich!

Dank der Chinesen, die ja das gesamte W-Lan am Abend zuvor absorbiert haben, steht unsere Unterkünft für den heutigen Tag noch nicht fest. Also Recherche oben im Haupthaus. Der Campingplatz scheint in Hand einer norwegischen Familie zu sein, alle Kinder (nur der Kleinste darf auf dem Tablet Rumdaddeln) müssen mithelfen. Das erinnert an eine Alm in den Alpen in den Sommerferien, nur ohne Schlafsäle und Hüttenschuhe, hier hat ja jeder seine eigenen vier Wände. Trotzdem werd ich da ganz sentimental, wollte ich doch schon mal so gerne auf einer Wanderhütte in Südtirol arbeiten, drei Wochen aufwachen zwischen den Gipfeln, wenn auch mit Kartoffeln schälen und Betten machen. Aber dabei alle möglichen Menschen antreffen, klingt nach einer unheimlich guten Therapie.

Wir machen uns auf dem Weg. Es geht hinauf auf den höchsten Punkt der E6, immerhin 1.022 m, vorbei an dem angeblich trockensten Ort Norwegens ... den einen nassen Tag haben wir also wohl erwischt. Bis ins 200 km entfernte Trondheim bleibt es furchtbar wechselhaft.
Kurz vor Trondheim klingelt es nur so vor Kronen für die gefühlten 100 Mautstationen. Als Dank gibt es ein grünes Licht und unseren Blick nach oben zur Windschutzscheibe, an der unsere kleine Mautbox klebt, die wir vorher bestellt haben. Die kassiert heimlich für uns ab und vertägt sich wahrscheinlich ganz wunderbar mit meiner Kreditkarte.

Trondheim ist auf dem ersten "Fahr"blick durchlöchert, hier gibt es an jeder Ecke einen Unterführungstunnel. Aber wir landen trotzdem mitten in der Altstadt, kommen am sehr eindrucksvollen Portal der Kathedrale vorbei und vor allem Pilgerbüro des Olavswegs, 300 km, die Oliver 2013 allein bestritten hat.
Auch wenn die Altstadt noch so bunte, wunderschöne alte Holzhäuser hat und überall kleine Kaffee-Häuser locken, uns vertreibt der Regen.

Ach ja Tesla ... in Trondheim gibt es sogar ein Tesla-Taxi! ;-)

Eine halbe Stunde später sitzen wir in unser Hütte in Malvik, direkt mit Blick auf den Trondheimfjord. Zwar wieder ganz einfach eingerichtet, aber die Elektro-Heizung bollert sofort wie verrückt. Licht und ein Bett gibt es auch, und Karl ist mit dabei, mehr brauche ich doch gar nicht. Dank norgewischem Radio habe ich meine früheren musikalischen Lieben wieder ausgegraben, Karl muss mit einer Session Kaizers Orchestra und Janove Ottesen leben.

Zum Abendessen gibt es Bier auch Trondheim und eine Folge "Auf 3 Sofas durch ..." auf YouTube ...nur ein gemeines Problem bleibt. Zum Klo sind es 70 m, einmal Hügelchen rauf und wieder runter ... und schüttet ...

Für morgen haben wir schon in einem alten Gästehaus reserviert! ;-)

 

Noch 1.600 km Bis zum Nordkap.



10.08.2016: Tag 5 - Camping, Planen und Hering süß-Salzig

Karl und ich haben die Nacht heute getrennt verbracht ... nee, wir haben uns immer noch ganz doll lieb, keiner wurde ins Auto oder unter die Hütten-Veranda zur jammernden Campingplatz-Katze verbannt. Die findet den Regen wahrscheinlich genauso zum Heulen wie wir. Nee, wir haben uns dann doch für etwas mehr Bewegungsfreiraum im Hochbett entschieden, ich zumindest wache fröstelnd in meinem Schlafsack auf der oberen Matratze auf. Karl hat abends die Heizung ausgemacht ... und in den Duschräumen, rund 70 m entfernt, gibt es nur kaltes Wasser. Egal, die Sonne lacht und wir machen erstmal einen Spaziergang zur Rezeption Gnadenmünzen für warmes Wasser kaufen ... sonst bin ich noch weniger zu ertragen. Immerhin etwas mehr als 1 Euro für 4 Minuten warmes Nass, dafür einer ganzer "Family Room" für mich alleine. Als ich wieder aus dem Duschraum herauskomme, gießt es in Strömen, hätt ich also auch gleich sein lassen können. Zurück an der Hütte ist die jaulende Campingplatz-Katze auch schon da – Karl noch nicht, und der hat den Schlüssel... hmm, doof ...

Nach dem Frühstück strahlt die Sonne und wir machen uns endlich auf runter zum Fjord und bekommen eine Vorstellung davon wie ein ganzer Urlaub auf einem Campingplatz verlaufen könnte. So richtig vorstellen kann ich mir das nicht, also in so einem Campingwagen oder im Campingmobil, obwohl eher Campingbus oder was auch immer da für Laster vorfahren.

Heute stehen erstmal nur 200 km durch eine wunderbar abwechlungsreiche Landschaft an, aber vor allem die Landwirtschaft dominiert hier und die vielen Stände an den Fjorden. Auch die E6 wird spürbar leerer, hier oben scheint die Wirtschaft Norwegens ganz langsam zu entspannen. Hier fühle ich mich wohl.

Am frühen Abend kommen wir in Grong an. Kein besonderer Ort, aber hier soll man toll wandern können und per booking.com haben wir uns in ein wunderschönes altes Gästehaus aus dem 18. Jahrhundert eingemietet. In der alten Stube steht zumindest schon Kaffee, Tee und für uns Kekse zum Klauen bereit. Mal sehen wie das Frühstück morgen früh wird in dieser Puppenstube. Die Frühstückszeiten (07:30 bis 09:00 Uhr) sind zumindest schonmal moderat.

Wir nächtigen im Nebenhaus, nutzen den Sonnenschein nach einem weiteren Schauer aber erstmal für eine kleine Wanderung und stoßen auf einen der vielen Pilgerwege hier oben. Leider sind das keine Rundwege, aber wir planen für morgen trotzdem einen Teil der Strecke zu laufen.

Der Rest des Abends geht für allem für die weitere Planung drauf, denn das örtliche freie W-Lan ist hier gigantisch gut. Mag auch daran liegen, dass hier keine Chinesen in der Nähe sind. In zwei Tagen wollen wir auf die Lofoten übersetzen!
Zum Abend machen wir ein berühmtes "Christina und Karl Picknick". Heißt, wir gehen in den Supermarkt, kaufen lauter verschiedene kleine Dinge auf die wir Lust haben (oder davon ausgehen, dass was tolles, noch unbekanntes wäre) packen dann alles auf unser Bett und schauen dabei eine Doku auf YouTube. In Finnland haben wir auf diese Weise schon Pferdefleisch probiert ... versehentlich, wer kann schon Finnisch? ... heute harmslose Tomaten und Gurke, dazu norwegisches Flachbrot (eher so eine Art Haferwraps), dazu "Ochsenbraten" und eingelegter Hering ... die Sorte verstehen wir nicht ... egal. Hering kaufen in Skandinavien ist reine Glückssache. Und heute? Liegen wir daneben ... Zucker und Salz zusammen sind eine fiese Kombi, mit Ketchup wird es nicht besser, also weg damit. Hmm, zum Glück haben wir noch eine Packung Vanille-Gifflar zum Nachtisch. Das sind diese Ikea Zimtkringel, nur in Vanille. Und dazu Polar-Bier. :-)

Für Morgen hätten wir ja noch ein Gläschen Hering ... ganz in rot, aber nicht von der Marinade ... sieht gefährlich aus – meint Karl ...



11.08.2016: Tag 6 - Haus .. nee Hütte ... am See

Wir wachen in einer Sauna auf ... oder anders gesagt, unsere kleine abendliche Wäsche Waschen Aktion per "Rei in der Tube" und anschließendem Trocknen auf der Trekking-Wäscheleine hat nicht geklappt. Hmm, Fönen hilft aus nicht, muss wohl später das Auto herhalten. An den beschlagenen Fenster tröpfelt das Wasser vom nächtlichen Regenschauer herunter ... wenn das nicht langsam aufhört wird es seeeehr anstrengend mit meinem Gemüt.

Nach dem Frühstück im Haupthaus (Augen auf bei der Wahl sonst landet Hering auf dem Knäckebrot statt Erdbeer-Marmelade, aber passt ja so gut farblich zusammen) wandern wir entlang der E6 auf dem Pilgerweg Richtung Heia. Der rauschende Namsen begleitet uns dabei, es geht vorbei an wunderschönen bunten, landwirtschaftlich genutzen Holzhäusern. Nur leider handelt es sich nicht um einen Rundweg, aber ein kräftiger Regenschauer scheucht uns am Mittag dann eh wieder zurück nach Grong zu unserem Auto.

Die vielen Kilometer im Auto, die kurvige Straße (mittlerweile teilweise ohne Mittelstreifen), vielleicht auch die Wanderung am Vormittag, die vielen Haferkekse, oder was auch immer, rauben uns die letzten Kräfte, kurz hinter dem Tor zu "Nord Norge" legen wir eine längere Pause ein, wir sind fix und fertig und schlafen.

Am frühen Abend erreichen wir den Fustvatnet, ein riesiger, glatter und vor allem eisig blickender Gebirgssee im Stigfjellet. Um uns herum tronen die 1.000 m hohen kargen Gipfel, vereinzelnd weisen die übrig gebliebenen Schneefelder auf die kühlere Temperaturen hier oben hin.
Aber genau hier haben wir unser Domizil für heute Nacht gebucht. Eine Hütte im Aspnes-Camping, ein Platz mit gerade mal 10 kleinen Hütten, ein paar Abstellplätzen für Wohnmobil, alles direkt am Ufer des Sees ... und es ist nichts los, wir dürften fast die einzigen Gäste sein. Zu aller Glückseeligkeit kommt die Sonne heraus, alles zeigt sich in seinen schönsten Farben, die Berge leuchten. Und unsere Augen auch!
Die kleine 8 m2 Hütte passt dazu, dieses Mal haben wir sogar eine Doppeltbett. Zum Abendessen kocht Karl Bulgur mit Rosinen, leicht scharf, orientalisch würzig, dazu Möhren und zum Nachtisch kleine Schokoriegel von Freia, quasi die Milka Schokolade Norwegens – ein Traum.

Der Wetterbericht sagt zwar, dass es Richtung Lofoten und später Narvik mit 8 bis 12 Grad kühlt bleibt, aber es soll trocken bleiben ... aber ich bin Berufspessimist, leider ...
Per booking.com werden also schnell unsere Unterkünfte für die Lofoten reserviert. Denn bei diesem wunderbaren und vor allem dichten Hüttennetz, leg ich mich garantiert in kein Zelt.

Morgen überschreiten wir den Polarkreis – nach Finnland im letzten Jahr, nun die norwegische Variante.



12.08.2016: Tag 7 - Kilometer 2.240 oder weiter als 66° 33′ N

Wir können zum ersten Mal im Sonnenschein frühstücken, direkt am See.

Heute steht eine Etappe von 320 km an, das Navi sagt dafür knapp 4 Stunden voraus, auf der Mitte werden wir den Polarkreis überschreiten, nordlicher waren Karl und ich beide noch nicht.
Nach gerade mal 20 Kilometern verlängert sich unser Tagesplan allerdings um eine 2,5 stündige Zwangspause. In Korgens, ein eigentlich unbedeutendes Örtchen mit Campingplatz direkt am Fluß, geht es nicht mehr weiter, die Abzweigung nach rechts Richtung Mo I Rana wird durch einen weißen Wagen versperrt. Wir steigen aus, Karl fragt den daneben geparkten Typen mit verschränkten Namen ob man hier nicht weiterkommt auf der E6? Nein, klappt nicht! Wieso nicht? "Because it's closed!" Aha! Und wie lange? Bis 14:40 Uhr? Äh ja, was eine Auskunft ... Felsbruch mit Zeitansage? Baustelle? Zu fragen, ob es eine Alternative zur Fahrstrecke gibt, wagen wir nicht, auf der Landkarte gibt es Richtung Norden einfach keinen anderen farbigen Streifen.
Mit Blick auf die Uhr (11:45 Uhr) wird uns aber schnell klar, dass wir die nächsten 3 Stunden festsitzen und es doch wieder späterer Abend wird bis wir an unserer nächsten gebuchten Unterkunft eintreffen, immerhin ein Hotel.

Der Grund für die Sperrung wird uns recht schnell klar. Am örtlichen Parkplatz stehen mehrere Busse, ein provisorisches Toilettenhäuschen ist aufgebaut, in den Gärten nahe der Hauptstraße wird gegrillt (selbst die Tankstelle verkauft heute gegrillte Würstchen) und an der Straße steht eine Traube Menschen mit norwegischen Flaggen in der Hand. Eine Art Tour de France, hier eher Tour durch das Nordland Norwegens, kommt ausgerechnet heute Mittag genau hier durch, was für ein Aufwand für ein paar Radfahrer. In Deutschland hätte es irgendeine Umgehensstraße gegeben, hier nicht ... hier ist Geduld gefragt, oder der Norweger kennt das.

Am mittlerweile späteren Nachmittag erreichen wir eine der wichtigen Landmarken auf unserer eigenen Route Tour Richtung Nordkap: Den Polarkreis!
Ich weiß nicht, wie es hier zur Hauptsaison im Juli aussehen muss. Der Parkplatz ist riesig, aber gerade mal 3 Reisebusse stehen hier, generell sind nur sehr wenige unterwegs, hauptsächlich Wohnmobile. Das Gebäude mi Restaurant und Souvernir-Supermarkt ist nicht weiter interessant, uns zieht es hinauf zu den Feldern voller Steinmännchen, die die vielen Besuchern vor uns schon seit Jahren anhäufen. Ich kannte die schon von den Fotos von meiner Mama. Es ist schön jetzt selbst einmal hier zu sein.
Die kühle Luft tut gut und diese schroffe, völlig kahle Hochebene zieht uns magsich an. Bis auf Fels, Moose, Flechten und einzelnen Schneefeldern auf den Bergen rundherum gibt es hier nichts. Alles irgendwie lebensbedrohlich, aber spannend und daher anziehend zugleich, wie eine dieser hochgelegenden Passstraßen in Italien oder in der Schweiz. Apropo Italien, es sind erstaunlich viele italienische Wohnmobile auf der Straße unterwegs, die meisten kommen aber aus nördlicher Richtung.

Weil es noch weitere 150 km sind und wir dringend tanken und etwas zum Abendessen einkaufen müssen, drängt es uns weiter Richtung Fauske, der erste Ort hinter dem Polarkreis. Während der Abfahrt strahlt die Sonne. Es geht vorbei an ewig langen Fjorden, gesäumt von diesen wunderschönen Berghängen und durch zahlreiche Tunnel. Wir kommen aus dem Stauen nicht mehr heraus. Hier beginnt das Norwegen wie wir es uns beide vorgestellt haben.

Unser Domizil für heute Nacht ist ein Hotel und Restaurant mitten an der E6, direkt am See mit Wasserfall, kein Ort in der Nähe. Tagsüber halten hier sicherlich einige der großen Reisebusse. Auch abends muss es im Restaurant jede Menge Fisch geben, zumindest riecht es überall danach. Unser Zimmer hat eine traumhafte Lage, vom Bett aus blicken wir direkt auf das Wasser.
Zum Abendessen gibt es "arktische Brotfladen" und dazu mal wieder Hering aus dem Glas und Lammbraten in Scheiben. Karl hat wieder ein norwegischen Bier zum Probieren eingepackt, das können die gut die Norweger. Und mit dem Hering glückt es auch ... einfach nur gut.



13.08.2016: Tag 8 - Ankunft im Wunderland, die Lofoten

Beim Frühstück sind wir bis auf ein norwegisches Pärchen die einzigen Gäste, zumindest um die Uhrzeit. Karl meint, dass gestern noch ein Reisebus auf dem Parkplatz gestanden hätte, dann sind die aber bekanntlich schon am frühen Morgen auf und davon, sonst wird es eng mit den Kilometern zum Nordkap.

Wir haben heute direkt an einem Wasserfall übernachtet und erfahren auch noch warum. Unser Hotel war in den 80ern nämlich als Unterkunft und vor allem Wirthaus für die Arbeiter gebaut, die in dieser Zeit insgesamt 8 kleinere Wasserkraftwerke im nahem Umkreis zum Fjord erbauten, alles im Auftrag des norwegischen Energiekonzerns Statkraft. Ein Exemplar können wir Dank Glasscheibe vor den Generatoren sogar direkt bewundern. :-)
Da für den Bau natürlich jede Menge Material und Werkzeug herangeschafft werden musste, und der Transport über den Fjord per Schiff zu aufwendig war, baute man erst in jenen Jahren hier das Teilstück der E6. Bis 1986 war man auf eine Fährverbindung angewiesen, heute fährt man stattdessen durch etliche Tunnel. Die letzte verblieben Fährverbindung steht für uns übermorgen an wenn wir zum Festland zurückkehren und nach Narvik fahren.
Ursprung für die Kraftwerke war der Strombedarf um 1942. Hitler ließ im zweiten Weltkrieg die "Polarbahn" zwischen Mo I Rana bis Kirkenes an der russischen Grenze von Kriegsgefangenen erbauen. Daran erinnern etliche Denkmäler, die Bahnstrecke verläuft seit dem Dovrefjell parallel zur E6. Es gibt eine tägliche Verbindung mit Fauske, also bereits südlich von uns.

Zum ersten Mal nach einer Woche verlassen wir die E6 Richtung Westen und fahren ins das verschlafene Örtchen Skutvik, das "Tor nach Lofoten" wie es am Fähranleger heißt. Am Abend wollen wir die Fähre hinüber auf die Lofoten nehmen. Ein Abzweigen von der Nordkap-Route, aber ein Traum seitdem ich die ersten Fotos gesehen habe ... so auch das Hintergrundbild hier.
Aber wir sind viel zu früh, finden aber einen kleinen, traumhaften Wanderweg am Bootsanleger in Nes (3 Häuser) direkt an der Meerenge. Es ist schlichtweg gigantisch!!! Die Sonne strahlt und die vulkanförmigen oder schlichtweg spitzen Gipfel fallen direkt bis ins Meer. Der Sand hier ist schneeweiß, an Sandbänken leuchtet das Wasser türkisfarben, es hat ein wenig was von der Karibik. Hier stehen einige Häuser direkt am Strand, der Blick vom Wohnzimmer direkt auf die Berge gerichtet. Wir fragen uns, ob es ein Privileg ist hier oben leben zu dürfen? In diesen Tagen sicherlich, aber der nächste echte Ort liegt 50 km entfernt, der nächste Supermarkt 30 km. In Skutvik gibt es nichts, außer die Fähre. Selbst zum Sammelhäuschen mit den Briefkästen der umliegenden Häusern ist es ein Stück.

Um 16:30 Uhr reihen wir uns am Kai in die erste Reihe ein, vor uns steht ein Wohnmobil aus Lippe, sonst ein paar Norweger und eine Truppe Tschechen, die die Wartezeit mit Angeln überblicken. Ich hätte hier ja zumindest nen Kaffeeautomaten aufgestellt ... und im Juli verkaufen Karl und ich dann noch Softeis dazu. ;-) Jetzt im August ist irgendwie nichts mehr los. Auch später auf dem Schiff nichts. Und die Reiseberichte im Internet haben uns schon Angst gemacht, dass man ohne Reservierung keine Chance hätte, die Fähre fährt samstags nämlich nur zwei Mal. Aber wo sind die alle?
Um 19 Uhr legt die Fähre an und ich muss an Oliver denken. Der hat früher immer die Fähren, die er in Dänemark mit meinen Eltern beobachtet hat, gezeichnet: Vorne geht die große Luke auf und die Autos fahren heraus, die neuen danach durch die Luke ins hinein, wie ein großes Maul, das Autos frisst. Das gleiche Spiel dann beim Anlegen, nur mit zweiter Luke hinten.

Die Überfahrt ist wie eine Reise ins Wunderland, auch wenn es nach meinen Begriffen zu viel schaukelt. Die Inseln leuchten, alle starren aus den Fenstern ... so einen schönen Fleck Erde habe ich bisher noch nie gesehen!!!Hoffentlich können Fotos das überhaupt ansatzweise wiederspiegeln.



14./15.08.2016: Tag 9 und 10 oder als Paderborner in "Å" I Lofoten

Ich hasse Schiffe, Fähren, Kreuzfahrtschiffe, Boote oder was auch immer alles nicht auf dem Wasser unterzugehen mag, dafür aber schaukelt. Wie auch jetzt gerade und wird sind schon ganze 3 Minuten aus dem Hafen von Svolvær, dem Hauptort der Lofoten, heraus ... sind ja nur noch 2 Stunden. Mal sehen wann ich meinen Laptop doch lieber zuklappe, Karl ist da ja ganz kalt. Zur Ablenkung versuche ich es mit Coldplay und Sckokokeksen zur Beruhigung für den leeren Magen...

Der gestrige Tage war einer dieser Traum-Lofoten-Tage wie man sie von Fotos und in Reportagen kennt. Das Thermometer sagt sowas wie 13 Grad, in der Sonne sind es eher 20, dazu allerdings ein kühler Wind.
Recht früh am Vormittag verlassen wir unser "Fast Hotel" in Svolvær, eines dieser super Hotels ohne Personal, für die man einen Code per sms bekommt, und machen auf die knapp 140 km der E10 Richtung Å gemacht, der kürzeste Ortsname den ich ich kenne, gleichzeitig die absolute Südspitze der Lofoten mit gerade mal 200 Einwohnern. Dort werden wir den nächsten Tag übernachten. Leider nicht mehr in einem der umgebauten "Rorburs", alte Holzhütten, die den Fischern früher als Unterkunkft für die Nacht gedient haben. Diese sind heute teils sehr luxoriös für Touristen umgebaut worden, daher aber auch nicht ganz preiswert.

Zwischenhalt der Fähre in Skrova ...ich könnte auch aussteigen und zu Fuß weitergehen, hätt ja auch ne Straßenverbindung zurück zum Festland gegeben ... die wäre bloß sehr viel nördlicher rausgekommen. Also weiterleiden ... Karl schläft.

Die 140 km hinunter nach Å gelten als eine der norwegischen Traumrouten ... und das ist absolut wahr. Die Berge fallen direkt in die angrenzenden Fjorde, die Straße folgt nach Möglichkeit immer dem Wasser oder wir folgen einer der vielen Brücken, die die Inseln miteinander verbinden. Die Sonne lässt die Berge und das Wasser entweder leuchten oder fabriziert im Gegenteil riesige Schatten und somit ein wahrsinniges Farbenspiel. Wir fühlen uns wieder wie in der Karibik, das Wasser ist hellblau. Man könnte praktisch an jeder Haltebucht oder Parkplatz stehenbleiben.
Uns kommen viele deutsche Autokennzeichen entgegen, aber auch einige Fahrfahrer und Langstreckenwanderer, wobei die auch grötenteils der Straße folgen müssen.
Ab der Hälfte der Strecke beginnt die Stockfisch-Region der Lofoten... dafür sind sie berühmt, vor allem in Italien, der größte und wichtigste Absatzmarkt. Überall wo Platz ist stehen große Holzgerüste auf denen ab Mitte Februar der ausgemachte Kabeljau paarweise aufgehangen wird. Er trocknet knapp 4 Monate an der milden und salzigen Winterluft, denn unter minus 5 Grad wird es hier im Winter nie. Im Anschluss wird das getrocknete Fischfleisch gepresst und in die Welt verkauft. Die Norweger essen den Fisch trocken, die bekanntere Zubereitungsart, vor allem als Delikatesse bei den Italienern, ist es den Fisch 2 Tage in Wasser einzuweichen bis er gummrig wird, anschließend wird er gekocht. Ich würde das gerne mal alles probieren. Der Trockenfisch, den ich in Island probiert habe, schmeckte zumindest sehr lecker, vorausgesetzt man mag Fisch und vor allem salzig. Ich schon! ;-)

Am frühen Nachmittag erreichen wie Å, am Ortseingang auch gleich unsere Unterkunft für diese eine Nacht, das "Bed & Boat" ... kein Bed & Breakfast, also Pension mit Frühstück, daher hat man schnell das Frühstück gegen ein Boot ersetzt. Aber wie schon beschrieben, schau ich mir die gerne an, bleibe aber lieber an Land.
Das alte gelbe Haus, von innen umgebaut mit insgesamt 5 Gästezimmern und Küche zur Eigenversorgung gehört Oda und Jörg. Oda ist Norwegerin, Jörg ist Deutscher. Wir müssen ihn gar nicht fragen, es reicht schon, dass Karl unser Auto mit dem PB-Kennzeichnen in die Parkbucht vor dem Haus manövriert. "Nee aus Paderborn, von so weit weg, ist werd verrückt!" Ha, da kommen gleich Heimatgefühle auf, wenn die eigene Sprache gesprochen wird. :-)
Jörg hat mal für ein halbes Jahr in Paderborn gewohnt, kommt aber gebürtig aus Süddeutschland, auf den Lofoten lebt er dauerhaft seit 4 Jahren. Am nächsten Morgen fällt ihm auch ein wo in Paderborn er gewohnt hat: "An der Pankratiusstraße ... sowas mit nem Heiligen oder was Katholisches im Namen". Und nicht nur das, gearbeitet hat er auch mal in Schloß Hamborn, für 3 Monate. Ich erzähle ihm, dass ich aus Kirchborchen komme ... ja, da hätte er während der Zeit gewohnt, in einem Haus an der Hauptstraße. Tja, extra die 2.500 km angereist aus dem schönen Borchen, nur um mal hallo zu sagen ... die Welt ist klein.

Oda und Jörg haben aber auch eine Waschmaschine, die ist nach mehr als der ersten Woche unterwegs auch langsam nötig. Dank Auto hätten wir zwar auch Gepäck für die gesamten 3 Wochen mitnehmen können, wir ziehen es aber vor, das man beim Rückwärtsblick aus dem Auto noch was sehen kann, die meisten anderen Reisende sind da ja nicht so und stapeln lieber.
Das Wäsche Aufhängen im Garten hat was von zu Hause ... hätten wir uns aber auch sparen können, hätte denn einer gewusst, dass sich bei diesem stahlblauen Himmel in der Nacht doch eine dicke Regenwolke bilden kann. Aber die beiden haben auch einen Trockner und wir noch eine Wäscheleine für das Auto für Karls restliche Socken. Sieht aus als würden wir unseren eigenen Fisch im Auto trocknen.
Wir nutzen den restlichen Tag zum Wandern und beobachten die vielen Angler an der Hafenmauer. Die Fischgründe hier sind erstaunlich fischreich. Für uns selbst gibt es am Abend Garnelen und dazu ein paar Dokus über die Lofoten, das Leben der Fischer im Winter und zum Stockfisch. Ein faszinierender Fleck auf der Welt. Aber sicherlich auch eine Herausforderung.

Unsere Pläne, am nächsten Morgen früh zu starten, werden durchkreuzt, es schüttet wie aus Eimern! Meine Stimmung ist auch nicht besser, auch nach der heißen Dusche nicht. Die Wäsche ist feucht und Karl verbrennt sich beim Frühstück machen: Müsli mit Apfel und heißer Vanillemilch
Das Highlight für den Vormittag ist aber direkt auf der anderen Straßenseite, das einzige Stockfisch-Museum der Welt! Wir werden freundlich von einem älteren Norweger begrüßt, der im Laufe seiner Jahre wohl die Sprachen aller seiner Gäste gelernt hat. Mit uns plaudert er auf Deutsch, danach mit anderen Gästen auf Englisch und daneben auf Französisch. Das Museum präsentiert uns den gesamten Prozess der Stockfischpoduktion. Im eigenen "Museums-Kino" gibt es sogar ein passendes Filmchen, eine ältere Produktion vom Hessischen Rundfunk. Uns wird auch eine Tasse Kaffee oder Tee angeboten. Viel spannender sind aber die Kekse, die kann man sich aus einem riesigen getrockneten Fischkopf nehmen. ;-)

Leider müssen wir aber auch schon zurück nach Svolvær, unsere Fähre fährt am Nachmittag, bei den üblichen erlaubten 60 km/h kommt man nicht schnell voran. Es regnet, die Welt ist heute grau, hin und wieder gibt es Regenbögen. Aber auch dann wirkt die Landschaft auf eine ganz andere Weise eindrucksvoll.
Gerade mal 1,5 Tage für die Lofoten sind garantiert viel zu kurz, hier könnte oder sollte man einen gesamten Urlaub verbringen. Aber als Abstecher auf dem Weg zum Nordkap wollten wir uns das nicht entgehen lassen. Die Lofoten kommen auf die To-Do-Liste für die Zukunft.

Jetzt geht es erstmal zurück zum Festland und Richtung Narvik. Heute haben wir uns eine Hütte direkt am Fjord gemietet. Ich habe mittlerweile gelernt mich auf das Ungewohnte einzulassen, zumindest hoffe ich das. Die Auf und Abs kommen immer so unverhofft, Karl kennt das leider. "Ich bin froh, dass du da bist!"
"Bosse – Frankfurt Oder (Leise Landung live)



16.08.2016: Tag 11 - Norwegen mit Elch!

Bis auf ein Pärchen im Campingwagen ein paar Meter weiter waren wir wohl die einzigen Gäste in einer der Hütten direkt am Tysfjord. Hinter uns verläuft zwar direkt die E6, aber am Abend kommt hier noch kaum jemand vorbei. Was daran liegen mag, dass 15 km weiter die Straße das einzige Mal in ihrem Verlauf durch eine Fährverbindung unterbrochen wird und die pendelt gegen Abend nur noch unregelmäßig hin und her.

Das Fenster unserer kleinen Hütte mit Hochbett und Sofa ist direkt auf den Fjord gerichtet, wie ein Fernseher, nur schöner. Die Sonne geht gegen 22 Uhr direkt über den Hügeln hinter dem Fjord unter, danach leuchtet die Mitternachtssonne noch weiter bis in die Nacht. Gegen 0:30 Uhr ist das gelbe Licht zwar verschwunden, aber der Himmel wirkt ganz milchig und wirkt deswegen noch hell. Für mich reicht es für einen gefühlten 5-Minuten-Schlaf in meinem Schlafsack. Ich schlafe wie ein Stein. Die Reise schlaucht mich ungemein.

Am nächsten Morgen hält uns es uns aber nicht mehr lange. Der Platz mit den 10 Holzhütten ist ganz schön in die Jahre gekommen. Selbst das Wasser muss abgekocht werden, aber wir sind auf solche Fälle vorbereitet und haben Tabletten zum Desinfizieren dabei. Viele Möglichkeiten zum Übernachten, wenn noch ansatzweise preiswert und nicht in einer Stadt, findet man hier oben nur noch spärlich. Schon beim Thema Abendessen und Frühstück waren wir für froh unsere "Notreserven" zu haben. Nach Ankunft in Skutvik sind wir an einem kleinen Spar vorbeigefahren ... kann ja keiner riechen, dass das die letzte Einkaufsmöglichkeit für die nächsten 50 km war. Hmm ... schmeckt trotzdem und zum Glück hatten wir auch noch Mineralwasser und Sirup im Auto und ein Twix zum Nachtisch, dazu Fjord-Fernsehen ... reicht doch völlig aus.

Die kurze Fährüberfahrt von Bognes nach Skarberget mit immerhin 25 Minuten hat was für sich. Ich kann mir kaum vorstellen wie es vor 20 oder 30 Jahren hier oben gewesen sein muss, als noch viele mehr davon auf den Fjorden unterwegs waren. Hinter Narvik wird kräftig an neuen Brücken gebaut.

Wir kommen an Narvik vorbei (die Stadt mit ihren 21.000 Einwohnern wurde schon seit Trondheim mit den über 500 km Distanz angekündigt) und bestaunen von weitem den riesigen Erzhafen und machen erstmal Großeinkauf im Supermarkt und Tanken muss auch mal wieder sein. Dem leckeren Polarbrot trauern wir jetzt schon hinterher. Optisch kommt türkisches Fladenbrot in klein nah heran, geschmacklich ist das aber etwas ganz anderes. Das süßliche fehlt, das Polarbrot ist viel weicher. Aber schon letztes Jahr habe ich mich nach unserer Rückkehr aus Finnland im Finnbrot-Backen versucht und das war guuuut.

Wir wollen heute unbedingt den Polar-Zoo besuchen. Auch hier ist am Nachmittag nichts los und wir haben die riesigen, naturbelassenen Gehege für uns. Auch bei der Fütterung von Braunbären und Wölfen können wir dabei sein. Und für mich ein ausgewachsener Elch in seiner vollen Pracht! Ich liebe diese wunderschöne Tiere. Und dann noch Polarfüchse und sogar zwei scheue Moschusochsen, die es sich zu zweit in der Sonne bequem machen. Der kleine Abstecher hat sich gelohnt, ein Elch in freier Wildbahn wäre natürlich ein Traum. Die haben so friedliches an sich, trotz ihrer Größe.

Unsere Hütte heute ist ganz neu und hat einen freien Blick auf die umliegenden Berge und die letzten Birken, die sich hier oben auf der Ebene noch halten können. Hier herrscht arktisches Klima.

Morgen früh machen wir uns auf nach Tromsø, das Paris des Nordens wie es heißt.



17.08.2016: Tag 12 - Tromsø oder wenn dir die Fjorde zu Füßen liegen

Die Sonne strahlt wie verrückt, vor allem ganz schön schräg von der Seite hier so weit oben Richtung letzter europäischer Zipfel Festland. Der Morgen beginnt mit Kopfschmerzen, daran ändert auch die heiße Dusche im "Servicehus" ein paar Meter weiter und unser Frühstück direkt auf der Veranda unserer Hütte nichts. Und meine Sonnenbrille hab ich auch irgendwo im Koffer versteckt, was ich leider erst feststelle, als wir schon wieder die ersten Bergrücken des Tages mitunserem Auto überschreiten.

Wieder weichen wir von der Direktroute zum Nordkap ab und nehmen den Umweg nach Tromsö über die Europastraße 8 in Kauf. Die E8 ist quasi die West-Ost-Tangente hier oben und folgt Richtung Osten nach Finnland hinein. Wir werden später einen Grenzübergang weiter nördlich wählen.

Laut Routenbeschreibung würde einem einiges entgehen, würde man den Umweg nach Tromsø nicht auf sich nehmen, die Stadt seit "das Paris des Nordens". Ich weiß nicht so recht ob der Autor schonmal in Paris war? "Insel" und "Brücke" passt irgendwo, aber ich kann die umliegenden Berge und vor allem die Fjorde nicht recht unterbringen. Mich erinnert Tromsø an Vancouver an der Pazifikküste Kanadas. Nur sind die Rocky Mountains dort wesentlich höher.

Zeitgleich mit uns kommt die MS Trollfjord an, ein Hurtigruten-Schiff. Wir selbst haben ein Zimmer in einem älteren Bed & Breakfast gefunden, eine wunderbare Lage, moderne Zimmer, nur Bad und Dusche sind auf dem Flur, was hier aber ein bisschen an zu Hause erinnert. Toll sind auch immer die tollen Parkplatz-Regelungen, die jedes kleine Hotel für sich aufstellt, wenn es trotz Lage mittem im Ort seinen Gästen mit Auto einen Parkplatz auf dem Hinterhof anbieten möchte, obwohl da eigentlich kaum Platz ist. Also gibt es eine Anleitung in welchen Winkeln auf dem Hof für normalerweise 2 Wagen doch irgendwie 5 passen müssen. Für den Notfall, dass der Nachbar dann doch festsitzt, wird ein Zettel mit der eigenen Telefonnummer hinterlegt. Uns hat zum Glück keiner angerufen, auch wenn der Bulli nicht mehr an uns vorbeigekommen ist.

Die berühmte Eismeerkathedrale auf der anderen Seite der Innenstadt, also einmal rüber über den Fjord, sieht von außen zwar sehr eindrucksvoll aus (sie soll mit ihren bunten Fenstern vor allem an die Nordlichter erinnern), lässt uns von innen aber leider kalt. Karl hat stattdessen eine andere tolle Idee: Tromsø liegt auf einer Insel zwischen zwei Fjordarmen, das muss man doch von oben sehen. Und wunderbareweise verfügt der Hausberg von Tromsø, der Storsteinen (immerhin 421 m) über eine Seilbahn. Normalerweise würde mich der Ehrgeiz davon abhalten den Berg tatsächlich per Seilbahn zu erklimmen, aber mein Kopf dröhnt schon wieder und bringt meinen Kreislauf gewaltig durcheinander.
Ich war in meinem Leben schon so oft oben in den Alpen oder auf anderen Gipfeln, hatte aber nie einen Ausblick wie hier. Den tatsächlich höchsten Punkt, die restlichen 150 Höhenmeter, erreichen wir per Wanderung und Aufstieg zu Fuß. Wäre hier nicht alles so steinig, hätte ich am liebsten hier oben unser Zelt aufgebaut.
Die Fjordwelt liegt uns zu Füßen, die können nur Bilder sprechen ...

Was ein wenig abschreckt und wieder absolut zu Vancouver passt sind, die Einwohner Tromsøs selbst ... die nutzen wohl jeden Sonnenstrahl aus .... nicht zum Picknick machen, Grillen, Sonnenbaden, was auch immer ...nein, die wandern nicht nur den Berg in mega-hippen Sportklamotten hinauf, nein die joggen gleich bis zum Gipfel und im Anschluss wieder runter. Und vor allem die jungen Mädels sind mit dabei. Also bei uns in Paderborn sitzt man bei so einem Wetter ja im Paderquellgebiet, im Celona oder im Eiscafé.
Eigentlich wollten wir uns zumindest den Abstieg zu Fuß vornehmen, mein Kopf macht mir aber einen Strich durch die Rechnung, Migräne ... zum Glück hab ich passende Drogen dabei, dazu ein Eis für den Zuckerhaushalt.
Ach ja der Weg nach oben für die Harten unter den Sportlern wäre dann die direkt Fahrschneide der Seilbahn gewesen, quasi 45 Grad die Höhenmeter hinauf, die spinnen hier schon ein bisschen.



18.08.2016: Tag 13 - Kilometer 3.300 km oder im Land der Samen

Bevor wir Tromsø verlassen, besuchen wir noch das "Polaria", eines dieser wunderbaren interaktiven Mussen in denen man sich Dank Thema "Arktisches Meer und Spitzbergen" warm anziehen muss. Einmal nach Spitzbergen, und zwar während der vollständigen Mittersommernächte, das wäre ein Traum. Dort gibt es den nördlichsten Campingplatz der Welt :-)
Zum Glück liest Karl vor dem Gebäude noch eine Infotafel, sonst hätte uns das deutsche Pärchen beim Eintritt nicht überholt. Als ich das Foyer betrete, sind nämlich schon mindestens 6 Kameras und noch mehr strahlende Mitarbeiter positioniert und warten auf ihre beiden Opfer. Einer der beiden ist der 2.000.000 Besucher ... yeah, dafür gibt es ein Buch und lebenslangen Eintritt ...wuuu ... ich bin Besucher Nummer 2.000.001 und Sorge gleich dafür, dass es weitergeht, yeah ...

Am frühen Nachmittag erreichen wir wieder die E6, es geht weiter nach Norden, erstmal Richtung Alta, bevor wir morgen Hammerfest als nördlichste Stadt Europas erreichen wollen. Die Sonne brennt, es sind mindestens 25 Grad und das hier oben. Das hätte ich mir nach den ersten verrechneten Tagen und den kühlen 12 Grad nicht erträumt.
Die nächsten 150 km folgen wir dem Ufer mehrerer riesiger Fjorde. Überall starten auch kleine Fähren um den Menschen das Vorankommen zu erleichtern. Der Blick über das strahlende Eis der umliegenden Gletscher ist wunderschön. Ob die vor 100 Jahren mal bis zum Fjordufer gereicht haben?

Ab sofort werden die Straßenschilder auch dreisprachig, die Hauptstadt der Samen, Kautokeino, ist nicht mehr allzu weit entfernt: Zuerst Norwegisch, dann Samisch und zuletzt Schwedisch. Ein paar Kilometer später wechselt Schwedisch gegen Finnisch.

Für heute haben wir uns eine Ferienwohnung reserviert ... in der Hierachie von booking.com bin ich mittlerweile auch schon aufgestiegen ;-) ... bei der Einrichtung ist es fast zu schade rauszugehen. Ich muss endlich Kaffee Mögen lernen, der Automat in der Küche lacht mich die ganze Zeit gemein an.
Etwas ungewöhnlich ist das Gebäude ja schon. Der Eigentümer hat Ferienwohnungen, einen Supermarkt und ein Restaurant mit Terasse zusammengepackt. Das scheint hier der HotSpot des Ortes zu sein. Immerhin werden die Supermärkte hier oben mittlerweile mit Kilometerangabe vorausgesagt (nächster Coop in 13 km). Wir suchen die Rezeption, ich frage im Supermarkt ... ich hab noch nie an der Kasse eine Wohnung für eine Nacht "gekauft". Das Proviant für das heutige Abendessen liegt also auch schon ein Stockwerk tiefer frisch bereit. :-)



19.08.2016: Tag 14 - Hammerfest oder Rentiere, Rentier, Rentiere

Wir haben heute keine kurze Etappe vor uns, 320 km, Ziel ist Hammerfest, die nördlichste Stadt Europas und damit der letzte Abstecher vor dem Nordkap. 320 Kilometer in Deutschland sind nicht viel und Dank fast unbeschränkter Geschwindigkeit auf unseren Autobahnen schnell gefahren. Hier können wir froh sein, wenn wir überhaupt mal 90 km/h fahren können, Durchschnittliche Geschwindigkeit dürften eher 60 km/h. Kurz vor Hammerfest liegen wir sogar darunter. Das Navi, das uns als Orientierung dient, zeigt mehr Fahrzeit an als übrige Kilometer, seltener Effekt.

Wir nehmen uns heute aber auch die Zeit für ein paar wunderschöne Stops fernab der Straße. Nicht weit entfernt von Alta fahren wir entlang an einem der vielen Nebenärme der Fjorde um den Øksfjordjøkulen, ein ausgeprägter Gletscher, zumindest von Weitem zu bewundern. Die Fahrt wird allerdings kurzzeitig unterbrochen. Ein ausgewachsenes Rentier wandert mitten auf der Straße, da müssen wir gaaaanz vorsichtig überholen. Mein erstes ausgewachsenes Tier.
Wir wandern einige Zeit direkt am Fjordufer entlang und genießen den Ausblick. Obwohl es noch einige Kilometer bis zum Gletscher sind, hört man einzelne Eisbrocken und die dazugehörigen Wassermassen hinabstürzen. Heute sind es mindestens 20 Grad, der Wind ist angenehm warm. Da haben wir bisher einen so verregneten Sommer und ausgereichend kurz vor dem nördlichen Ende Europas bricht alles auf. Traumplatz...Hütte aufstellen und für mich hierbleiben ... jaaaa.

Wir haben aber noch einige Kilometer vor uns und Hammerfest wollen wir unbedingt erreichen, auch wenn dies einen weiteren Abstecher von der Nordkaproute bedeutet. Zwischenzeitlich fragen wir uns, ob es das tatsächlich wert ist. Die Norwegen nutzen den August als Sommermonat, aber schon mit deutlich weniger Tourismus, für Straßenarbeiten. Entweder wird ein neuer Tunnel oder eine Brücke gebaut oder die Straßendecke erneuert. Die E6 scheint an allen Ecken optimiert zu werden und wird an vielen Stellen in Zukunft vom ursprünglichen Verlauf abweichen. Unser Vorankommen wird dadurch nicht besser. In Deutschland hätte man die Autos, Campingwagen und LKWs nie über eine gefühlt durchlöcherte Straße im Renovierungsmodus geschickt. Hier oben geht es aber nicht anders, die E6 ist die Verbindung, es gibt keine Alternative. Unser Auto ist schon lange nicht mehr schwarz, jetzt schön dreckgepudert ...

Es geht durch eine ewige Hochebene. Die Landschaft wirkt wie eine Wüste, bis auf verkümmerte, kleine Birken gibt es hier nichts mehr. Hier und da stehen vereinzelte Häuser oder Zelte der Samen, die hier leben. 80 Kilometer weiter, das Hightlight nach 1,5 Stunden Ebene: eine Abzweigung! Rechts geht es nach Kirkenes, Richtung Russland bzw. zum Nordkap, links nach Hammerfest. Wie biegen also ab.
Die nächsten 60 Kilometer sind anstrengend. Es ist früher Abend, die Sonne steht für unsere Verhältnisse nicht nur verdammt tief, sondern vor allem verdammt schief ... und zwar direkt gegen uns. Ohne Sonnenbrille ist man völlig blind, zum Glück ist Fahrtlicht hier oben Pflicht sonst gäbe es keine Chance den Gegenverkehr zu erkennen. Oder die Wagen direkt voran ... unsere Sinne sind nun vollständig gefordert: überall an den Straßenrändern verweilen Rentiere oder sie wandern seelenruhig an der Straße entlang oder auch direkt mitten auf der Straße. Bloß sieht man die im Sonnenlicht so schlecht. Ich hatte ja gehofft Rentiere hier oben beobachten zu können, und dann sind sie gleich in Scharen da. Wunderschöne Tiere, wenn auch ein bisschen zu sehr auf Gefahr aus ;-)

Wir haben ein einfaches Hotel quasi am Hausberg des Ortes mit seinen gerade mal 9.500 Einwohnern. Die bunten Häuser verteilen sich großzügig über die Felsen. Die Stadt im umrandet von Fjorden, hier oben schneit der Himmel zum Greifen nah. Gegenüber dem Hafen befindet sich laut Wikipedia der gröte Port für Flüssiggas in Europa, ein passendes Schiff ist auf dem Weg. Gleich daneben sticht die Flamme der Gasfackel in den Himmel. Wie lebt es sich hier wohl?
Direkt neben unserem Hotel geht es hinauf auf den Aussichtpunkt der Stadt, innerhalb von 2 Tagen somit der zweite Gipfel. Es ist 20:30 Uhr, vor uns startet die riesige Sonne langsam mit ihrem eindrucksvollen Untergang im Fjord. Seit Ende Juli wird es wieder dunkel, der Himmel leuchtet während der Nacht ganz vorsichtig und es wir früh hell. Es ist angenehm warm und wir sind ganz alleine hier oben. Ein faszinierender Blick über diese gewaltige Landschaft. Hammerfest hat sich schon jetzt gelohnt!



20.08.2016: Tag 15 - Insel Magerøya, fast am Ziel

Frühstück gibt es heute in der "Hotel-Kantine" und zwar zu einer ordentlichen Uhrzeit. Also müssen wir früher raus, aber da die Sonne schon weit vor 6 Uhr morgens am wolkenlosen Himmel steht und wir die Gardinen in der Nacht aus Gewohnheit nicht zugezogen haben, wachen wir eh von allein auf. In dem Hotel scheinen vor allem LKW-Fahrer, Monteure oder vielleicht jüngere Gruppen zu übernachten, daher das Kantinenflair. In meiner viel zu großen Trekkinghose und den Wanderschuhen fühle ich mich irgendwie wie bei der Bundeswehr. Bis auf 4 Norweger haben wir das Buffet aber für uns allein und die Auswahl ist mehr als gut. Zwischen den ganzen Übernachtungen in Hütten mit eigenem Frühstück macht so ein Buffet richtig Spaß und die Norweger haben immer ungewöhnliche Überraschungen dabei, die probiert werden müssen. Also Rührei, Fleisch-Paprika-Pfanne, endlich mal Lachs, Kartoffelsalat (fast wie der von meinem Papa) und dazu jede Menge Gemüse.

Draußen weht es wie verrückt. Den erneuten Aufstieg auf den Hausberg für den Ausblick bei vollem Sonnenschein, müssen wir kurzfristig doch abbrechen, die Windböen schup schuppsen mich einfach immer wieder vom Weg weg, und schon lieg ich da. Das ist mir zu gefährlich. Trittsicher ja, windsicher nee. Stattdessen folgen wir also dem Höhenwanderweg "Gammelvei", der quasi einmal um Hammerfest herum führt. Untem am Kai liegt die MS Trollfjorden, das gleiche Hurtigruten-Schiff, dass wir schon in Tromso gesehen haben. Die sind also schon wieder auf dem Rückweg.
Auch in Hammerfest soll es im Winter nie eisig kalt werden, die Straßenverbindung ins Land hinein, sollte also funktionieren, aber wohin will man hier fahren? Vielleicht fährt die Jugend hier als Wochenendausflug nach Tromø zum Shoppen oder ins Kino zu gehen? So wie wir früher mit dem Zug nach Oberhausen ins Einkaufszentrum, weil es sowas in Paderborn tatsächlich nicht gibt? Oder sie fliegen? Oder eben mit dem Postschiff? Das bringt ja auch die Zalando-Pakete.
Wie auch immer, Dank der Hurtigurten sorgen zumindest ein paar Touristen ganzjährig für etwas Abwechslung. Sonst gibt es hier nur ein paar wenige, eher praktische Geschäfte, den hiesien Pizza- und Kebap-Laden und ein skandinavisches Restaurant. Und natürlich die Energie-Industrie.

Heute haben wir entspanntere 200 km vor uns, der E6 folgen wir aber kaum. Schnell kommt der letzte Abzweig hier oben. Rechts geht es nun defintiv nach Kirkenes und vorher Richtung finnsiche Grenze, wir biegen ab auf die E69, die direkte Route zur Insel Magerøya, der Nordkapinsel, noch etwas mehr als 100 km.
Die Landschaft ändert sich wie auf einen Schlag. Die letzten kümmerlichen Birkenwäldchen sind weg, es ist nun völlig karg, lediglich Gras, Moose und Flechten auf den runden Felsen. Immer wieder begegnen uns Rentiere und wir müssen mehrmals stoppen. Hier gibt es sogar weiße Rentiere. Die Landschaft auf den Lofoten war wunderschön, der absolute Norden zieht Karl und mich magisch an. Das ist es,was wir gesucht haben!

Die E69 verläuft als kurvige Küstenstraße, den Verkehr kann man hinter der nächsten Kurze nur erahnen. Der Radiosender der Komune Nordkap hat sogar englischsprachiges Programm im Angebot, der BBC lässt grüßen, endlich mal wieder die Nachrichten verstehen. ;-)

Wir erreichen den Nordkaptunnel mit seinen immerhin 6.900 Metern. Vor knapp 20 Jahren ging es noch per Fähre hinüber nach Magerøya. Heute verläuft ein Tunnel direkt unter dem Fjord. Es geht einige Höhenmeter ordentlich bergab, im Tunnel scheint es zu "regnen". Selbst den Fernradfahrern, denen wir begegnen, bleibt hier nichts anderes übrig. Einen Umweg über die Berge gibt es nicht.

Das Nordkap ist heute noch nicht unser Ziel. Es ist schon 17 Uhr und wir haben bewusst einen vollständigen Tag auf Magerøya eingeplant. 12 Kilometer vor dem Nordkap-Plateau erreichen wir das kleine Fischerdorf Skarsvåg, kurz davor den Kirkeporten-Campingplatz oder "das Basecamp vor dem Nordkap" wie es hier auf dem Willkommensschild heißt. Diesen Platz habe ich schon weit im Voraus von zu Hause aus reserviert. Da sich das Wetter im August nicht einschätzen lässt, wollten wir unbedingt eine große Hütte mit eigenem Badezimmer und fließendem Wasser zum Kochen und Spülen. Und wir werden nicht enttäuscht. Die Hütte ist toll, die Dusche wunderbar und der Blick ... also schräg gegenüber geht gerade die dicke orange Sonne im Fjord unter. Vielleicht begrüßen uns morgen früh aus Rentiere.
Unsere Honey-Moon-Suite im nördlichsten Norden Europas, 71 Grad! :-)

Heute kochen wir noch einmal selbst.Vielleicht gönnen wir uns morgen zum Abschluss die hiesige Küche: Lachs, Rentier, Kabeljau, Königskrabbe.

Plan für den morgigen Tag war eigentlich das bekannte Nordkap-Plateau. Das eigentliche Nordkap liegt aber auf einer Halbinsel in westlicher Richtung und ragt knapp 3 km weiter ins Meer hinaus. Dieser geografische Punkt ist aber nur zu Fuß zu erreichen. Eine Wanderung von 18 Kilometern ... jetzt packt uns der Ehrgeiz ...bloß soll das Wetter ausgerechnet morgen umschlagen ... erstmal früh aufstehen und dann mal schauen. Das Frühstück, unsere heißt geliebten "Overnight Oats" mit Vanillemilch und Apfel bereiten sich schon im Kühlschrank vor.



21.08.2016: Tag 16 - 3.900 km, Ziel erreicht, am Nordkap!

Heute wollen wir früh raus, wir wollen ja wandern – aber auch so hätte mich die dünne Matratze irgendwann aus dem Bett gejagt, mein Rücken will nicht mehr. Also schnell unter die warme Dusche. Beim Zähneputzen und Blick aus dem Fenster, schauen mich gleich mehrere Augenpaare genauso verdutzt an ... auf dem Platz zwischen den Hütten sind überall Rentiere, manche mit stattlichen Geweihen. Eines davon möchte unser Auto unbedingt gerne zum Fegen nutzen, Karl ist natürlich schnell hinterher. Bei aller Rentier-Liebe, so nah ist doch zu nah, zumindest am Lack. Die Tiere bleiben noch den gesamten Vormittag in der Gegend, verziehen sich aber auf die Hügel am Rande.

Punkt 9 Uhr stehen wir dick in unsere Jacken eingepackt und mit Wanderrucksack am Parkplatz 7 Kilometer vor dem Nordkap. Wir wollen zum Knivskjellodden, dem tatsächlichen nördlichsten Punkt des Festlandes. Der Weg soll hauptsächlich durch Steinmännchen markiert werden. Wo auch immer die sind, wir schauen gegen eine Wand aus dickem Nebel. Sichtweite? Vielleicht 5 Meter, hier und da einer mehr. Über Nacht ist das Wetter umgeschlagen. Die Besitzer unserer Hütte hatten uns zwar darauf aufmerksam gemacht, dass sich ein Wetterumschlag hier oben gleich so extrem auswirkt, hätten wir nicht erwartet. Schon der Weg mit dem Auto zum Wanderparkplatz war eine Herausforderung. Auf dem Platz stehen einzelne Wagen, hier scheinen einige Leute übernachtet zu haben. Zumindest wird neben uns eine Pärchen mit Berliner Kennzeichen wach. Der Nebel ist so dicht, da brauch man noch nichtmal einen Busch um Pinkeln zu gehen ...den hätte es hier eh nicht gegeben. 5 Meter raus in irgendeine Richtung reicht um zu verschwinden.
Wir sind enttäuscht ... das ist uns eindeutig zu gefährlich. Wir sehen noch nichtmal den Beginn des Weges und zum Auto würden wohl auch nie zurück finden. Uns bleibt also nichts anderes übrig als zur Hütte zurückzukehren und abzuwarten.
Auf der Straße zurück kommen uns 2 Wanderer entgegen, mit ihren riesigen Rucksäcken, dick verpackt zum Schutz gegen das Wetter. Ich würde gerne wissen was deren Antrieb ist hier hoch zu wandern. Generell kann ich den Sinn einer langen Wanderung mit vollem Gepäck sehr gut nachvollziehen und das geografische Ziel ist mit auch klar, hier geht es aber immer entlang der befahrenen Straße, es gibt keine Alternative.

Gegen Mittag klart es auf, für unsere Wanderung ist es aber eigentlich schon zu spät. Wir fahren nach Honningsvåg, dem Hauptort der Kommune Nordkapp. Der Ort ist an so einem Tag wie heute allerdings auch nicht mehr als der Anlegeplatz für ein Kreuzfahrtschiff und ein Schiff der Hurtigruten.

Wenn schon nicht echtes Nordkap dann eben zum touristischen Gegenstück. Das sollte eh sein! Dass dieses Felsplateau nicht der nördlichste Zipfel ist, wusste man schon von Anfang an, der hochragende Fels ist aber deutlich eindrucksvoller und passte einfach mehr in die Vorstellung eines richtigen Kaps oder eben hier für das Ende Europas.
Der Nebel ist genauso dick wie heute Morgen, wir fahren im Schneckentempo.Und plötzlich ist es da, das Schild "Nordkapp". Wahrscheinlich wäre das an klaren Tagen schon von Weitem zu sehen gewesen, heute sieht man es erst im letzten Moment. Dann tauchen die Kassenhäuschen und die geöffnete Schranke vor uns auf. Die Dame im Häuschen begrüßt uns am Nordkap und es scheint ihr fast leid zu tun, dass das gefühlte Ende Welt nach, für uns 14 Tagen unterwegs quer durch das Land, auch bei solch einem Wetter mit Eintritt verbunden ist. Was soll´s, jetzt dreht man garantiert nicht um! Draußen sind es geschmeidige 8 Grad, der Wind weht scharf, gefühlte 5 Grad. Vorsichtshalber habe ich mir eine Leggings untergezogen und habe einen Schal und meine Strickmütze mit dabei. Trotzdem passt das Wetter auf seine Weise zu diesem Moment.

Man kann nicht gerade behaupten, dass die Ankunft am Nordkap einen all zu emotionalen Punkt im Leben bedeuten würde und dabei bin ich selbst recht schnell am Wasser gebaut. Dagegen spricht der Hype um das Nordkap, die vielen eigenen Bekannten, die schon selbst hier waren, was auch immer. Es fühlt sich trotzdem toll. Unser Ziel war nicht das berühmte Foto am Nordkap, am Globus, sondern der Weg hier hin. Wir beide gemeinsam mit unserem eigenen Auto, unter eigener Regie quer durch Norwegen, einfach bis es nicht mehr weitergeht.

Am Globus ist einiges los, trotz Wind und leichtem Nieselregen. Meine Hose bläht sich wie verrückt auf, der Wind schuppst mich hin und her. Gestern noch im T-Shirt, auf den Fotos heute gefühlter Winter. :-)
Wir bleiben einige Zeit und genießen einfach die Aussicht vom Nordkap-Café aus, denn zum Glück klart es immer weiter auf. Hinter dem Globus fällt der Blick auf die ewige Weite des Meeres ... irgendwo dahinten kommt Spitzbergen, nach mehr als 2.000 Kilometern dann wohl der Nordpol. Vor 100 Jahren bzw. bis in die 1950er Jahre hinein, als die Nordkapstraße noch nicht gebaut war, erfolgte der einzige Weg zum Platau über einen steilen Aufstieg vom Schiff aus. Als Begrüßung gab es ein Glas Champagner. Wir gönnen uns dagegen ganz vornehm eine leckere Nordkap-Waffel, die Norwegen lieben Waffeln, und genau wie die Norweger mit eine Creme aus saurer Sahne, Erdbeer-Marmelade (wieder wie von meinem Papa) mit dicken Früchten und ein bisschen norwegischem Käse (aus Ziegenmilch, karamelisiert) und dabei der Blick in die Weite. Das hat sich gelohnt!

 



22.08.2016: Tag 17 - Am nördlichsten Punkt Europas und Richtung Finnland

Der Wecker klingelt heute viel zu früh, aber irgendwo hab ich doch ein Sonnenstrählchen gesehen? Also etwas Hoffnung, dass der verhoffte Wetterbericht für den heutigen Tag eintrifft, es soll wieder sonnig und klar werden, wenn auch kalt. Aber gegen kalt bin ich ausgerüstet, ich hab Skiunterwäsche, Mütze, Schal und Handschühe mit dabei.
Wir wollen unbedingt zum echten nördlichsten Punkt Europas, der eben nur per Wanderung über 18 Kilometer zu erreichen ist. Gestern war das eindeutig unmöglich. Aber wir sind viel zu ehrgeizig, so häufig kommt man hier einfach nicht hin. Also los ... der Tag ist eigentlich jetzt schon zu utopisch. Wir müssen nämlich heute noch bis nach Finnland zum Inarisee, 420 Kilometer und google maps sagt dafür 5,5 Stunden voraus. Wir haben ja zumindest noch ein bisschen Hoffnung, dass man auf finnischen Straßen etwas schneller fahren kann als die gewöhnlichen 50 – 70 km/h.

Um kurz vor 8 Uhr ist alles im Auto verstaut und die Hütte gefegt (gehört dazu wenn man eine Hütte verlässt), ein paar Minuten später stehen wir am Parkplatz und Ausgangspunkt für die Wanderung. Es ist wolkenvergangenen, grau und der Wind peitscht gemein. Aber immerhin ist es klar und die nächsten Steinmännchen, die den Weg markieren sollen, sind gut zu erkennen. Also los. Zum Glück ist um diese Zeit noch nicht viel los. Bis auf 2 Mädels aus einem Auto mit Augsburger Kennzeichnen, ist noch nicht niemand unterwegs. Die beiden hängen wir schnell ab und sehen sie auch nicht wieder.
Wir legen ein ziemliches Tempo vor. Um warm zu werden, weil es sich auf der Hochebene gut laufen lässt, weil die Sonne langsam hervorkommt, aber auch weil wir leider die Zeit im Nacken haben und dann gilt beim Grenzübergang nach Finnland auch noch eine Stunde Zeitverschiebung nach vorne. 5 – 6 Stunden sind für den Weg angegeben, in Internetforen berichten andere von 9 Stunden.
Ein paar Rentiere beobachten uns. Es geht "ganz langsam" immer weiter abwärts, zumindest kommt uns das so vor. Der nördlichste Punkt Europoas liegt zwar 1,4 Kilometer vor dem bekannten Nordkap-Plateau, dafür aber knapp 400 Höhenmeter tiefer. Der Nordkap-Felsen kommt ziemlich schnell in Sicht. Er wirkt gigantisch, kein Wunder, dass man sich schon bei den Anfängen des Tourismus hier oben in den 1660er Jahren lieber ein so imposantes Naturmerkmal ausgesucht hat. Schade ist nur, dass man von oben, also wenn man am Globus steht, nichts davon ahnt. Die Wanderung lohnt sich jetzt schon. Wir bekommen das gesamte Steinmassiv zu sehen, ganz vorne und winzig der Globos. Um diese Uhrzeit ist da oben allerdings Ende August noch nichts los.

Der Weg wird immer steiler, es geht einige Höhenmeter hinab und schließlich über blanke Felsplatten. Und dann kommt das Ziel in Sicht: Die rundliche Spitze, das Ende und ein Betonsockel mit den nun nördlicheren geografischen Koordinaten: Europas nordligste Punkt (kleiner Schreibfehler). Wir bekommen also beide Nordkape auf einmal, das echte und das touristische. Der Himmel ist mittlerweile wolkenfrei und stahlblau, ein perfekter Tag.

Kurz nach uns kommt Peter an, ein sportlicher Belgier, wahrscheinlich Anfang 30. In seinem Rucksack steckt die belgische Flagge. Ich bin begeistert, ich mag es wenn Menschen ihren Nationalstolz zeigen und gleich mit eigener Nationalflagge auf Wanderschaft gehen. Wir kommen ins Gespräch als wir gegenseitig Fotos von uns machen. Ihm ist das Nordkap "da oben" zu touristisch, er mag das nicht. Er mag die ruhigen Punkte, die man sich erstmal selbst erarbeiten muss. Das können wir nur zu gut nachvollziehen, nach "da oben" wollten wir aber auch. Wenn so viele Touristen aus aller Welt in den nördlichsten Norden strömen, muss es dort doch was geben? Und allein für ein Foto! Und eine Nordkap-Waffel! Für den Moment hier hat er sich ein Schlückchen Wodka gegönnt ... wir haben Haferkekse und Pepsi Maxx. ;-)
Peter ist allein unterwegs, für 16 Tage zum Wandern in Norwegen. Er ist am Freitag zu Hause in Belgien mit seinem Auto gestartet und über Schweden hier hoch gekommen, in weniger als 2 Tagen. Geschlafen hätte er 5 Stunden und sonst würde ihm viel gute Musik bei der Fahrt helfen, "wenn man erstmal im Flow ist, ist das alles halb so schlimm". Ein Fünkchen Nordlicht hätte er in der Nacht zuvor sogar auch gesehen. Die restlichen Tage will er mehere Streckenwanderungen unternehmen und in den Hütten übernachten.Wir kommen ein bisschen ins Schwärmen, aber gerade deswegen haben wir ja selbst die Rückfahrt über Finnland gewählt. Solche kleinen Begegnungen sind schön.

Um 11 Uhr starten wir den Rückweg und merken erst jetzt, dass es die ganze Zeit bergauf geht. Nach dem einem Hügel kommt noch einer, und dahinter das nächste Steinmännchen da oben ... es zieht sich, aber wir halten unser Tempo. Wir kommen aus dem Grüßen nicht mehr heraus, uns kommen mehr as 50 Wanderer entgegen. Gut, dass wir ganz alleine unterwegs waren.
Nach 5 Stunden stehen wir wieder am Auto, das Intensivtraining für heute ist abgeschlossen. Jetzt kommt der anstrengende Teile. Mein Körper ist so erschrocken über die Leistung, dass er von den Zehen bis zum Oberschenkel krampft. Ich fühle mich ein Fußballer und muss erstmal am Parkplatz "auslaufen".

Das Wetter ist toll, die Ausblicke wunderschön, aber so langsam sind wir davon auch irgendwie gesättigt. Einmal auf der Straße vorankommen wäre auch schön, einmal ein gerades Stück ohne Kurven.
Zurück am Festland, zurück auf der E6 im Örtchen Olderfjord, zeigt sich ganz wunderbar, wie sehr sich Tourismus eigentlich an bekannte Wege hält. Aus der östlichen Richtung sind wir gekommen, links geht es nun nach Kirkenes und Lakselv. Die finnischen Grenze ist 150 Kilometer entfernt, nach Russland sind es keine 450 Kilometer mehr. Nach nur wenigen Kilometers fühlen wir uns fast allein auf der Straße, nur noch ein paar Norweger. Die wenigen "Orte" wirken menschenleer. Irgendwie warten wir die ganze Zeit auf ein Schild, dass uns darauf aufmerksam macht, dass das Ende der Zivilisation gleich erreicht wird.
Die norwegisch-finnische Grenze wirkt genauso. Ein einsamer Grenzfluss, plötzlich Zeitverschiebung und danach viele viele Kilometer durch die finnsichen Wälder und Seen. Die Landschaft hat sich schlagartig geändert. Fjorde und die Berge gibt es auf einmal nicht mehr. Auch wenn wir nun in Finnland sind und der Unterschied erstmal nur in der Mitgliedschaft der EU liegt, irgendwie fühlt sich alles "vertrauter" an. Mag vielleicht daran liegen, dass die Finnen selbst in dieser abgelegenstens Gegend überall Antennen installiert haben und der Radioempfang auf glasklar ist oder weil die hier Temposchilder im dreistelligen Bereich haben, Karl ist glücklich. Wir kommen voran durch diese ewige finnische Weite.

Und dann am Inarisee, kurz vor unserem heutigen Etappenziel: ein Elch! Ganz fix läuft das Tier über die Straße und schaut uns hinterher. Wieder ein Traum in Erfüllung gegangen. :-)
Wir sind hundemüde, jetzt nur noch duschen, etwas essen und schlafen ...reicht!

 



23.08.2016: Tag 18 - Finnische Unendlichkeit

Der heutige Tag ist ein schlichter Reisetag. So spannend, aber auch anstrengend es war die vielen Kilometer Richtung 71 Grad zu erreichen, müssen wir leider doch so ganz langsam wieder zurück in den Süden. Wir folgen nun der E75, die führt wie schon die E6 in Norwegen, durch gesamt Finnland, also bis Helsinki. Dort müssen wir am Freitag Nachmittag zeitig ankommen um auf der Fähre nach Deutschland einzuchecken.

Die Geschwindigkeitvorschriften in Finnland sind zwar angenehm, der Weg Richtung Rovaniemi ist aber furchtbar zäh. Statt der norwegischen Weite begleiten uns hier die ewigen Wälder und hier und da große, wunderschöne Seen. Wir fahren und fahren, dabei finnische Pop-Musik vom Feinsten, yeah.

Rovaniemi soll zumindest ein Zwischenstopp für die Etappe sein. Hier verläuft der Polarkreis. Nach gerade mal 2 Tagen sind wir also wieder zurück auf 66 Grad, knapp 33 Minuten. Hier in Rovaniemi verläuft aber nicht nur der Polarkreis, hier wohnt auch der Weihnachtsmann ... soll er zumindest, im Santa Claus Village. Hat schon was mal "Santa Claus" ins Navi einzugeben und das Ding findet noch was. Dazu gibt es auch "Santa Claus WiFi".
Das Weihnachtsmanndorf, und dazu leider auch noch im Sprühregen, ist dann doch eher eine kommerziele Enttäuschung und Ansammlung lauter Souvenirshops. Die Idee und ursprüngliche Umsetzung von Weihnachten im ganzen Jahr, war ursprünglich sicherlich mal sehr schön gemacht, nur ist heute nichts mehr davon übrig geblieben. Karl wäre ja immerhin fast zum Weihnachtself befördert worden.

Wir nutzen Rovaniemi stattdessen für einen Sparziergang im örtlichen Großsupermarkt. Was in Norwegen nämlich das leckere Polar-Brot ist, ist hier das Finnbrot. Das haben wir schon letztes Jahr lieben gelernt und zu Hause habe ich es auch schon selbst ganz gut nachbacken oder nachbraten können. Nur schmeckt es hier schön leicht nach Kartoffel.
Einkaufen in Finnland ist sowieso immer ein Abenteuer ... Tiere raten in der Fleischabteilung und die tausenden von Joghurtvarianten sind auch immer wieder spannend. Die Entscheidung ob eher Joghurt, Quark, Cottage Cheese oder saure Milch, kann ich am besten anhand der Kalorien- und Eiweißangabe treffen. Die gefühlten 100 "is", "äs" oder "üs" in jedemWort irritieren ein wenig ;-)

Nach weiteren 2,5 Stunden durch die Ewigkeit erreichen wir endlich Ruka, nächster vielleicht größerer Ort ist Kuusamo. Ruka ist ein reiner Skiort und ist eventuell aufgrund einiger Wettkämpfe im Winter und durch die Skisprungschanze bekannt. Dazu eine Ansammlung großer Hotels und typisch finnische Karaokebars. Im Sommer, vor allem jetzt Ende August, ist hier nichts mehr los. Wir sind trotzdem bewusst hier. Im letzten Jahr sind wir nach Kuusamo geflogen und haben die knapp 100 Kilometer lange Bärenrunde betritten. Am 25. Juni 2015, also in diesem Jahr der Tag unserer Hochzeit, waren wir mitten auf dem Trail quer durch den Oulanka Nationalpark. Ziel des Weges, und so auch für uns, war Ruka.

Neben der Großen Bärenrunde (Karhunkierros) gibt es aber auch noch die Kleine Bärenrunde (Pieni Karhunkierros), eine Tagestour, und eben die haben wir im letzten Jahr nicht mehr bestritten. Und das wollen wir nun morgen unbedingt nachholen! Auf dem Weg werden wir auch wieder auf die Große Bärenrunde treffen. Am 25.06.2015 waren wir dort auch schon. ;-)

In Ruka haben wir in ein sehr schönes Ski-Hotel eingescheckt, wahrscheinlich ist hier kaum etwas los. Im Sommer kommen hier eigentlich nur Wanderer vorbei. Beim Einchecken werden wir gleich darauf angesprochen.
Zum Abendessen wollen wir in den "Ort" da hab ich im letzten Jahr nämlich einen Subway gesehen und uns beiden ist ja sowas von nach Subway .... mhh einmal Chicken Breast mit Honey-Mustard-Dressing ... nur blöderweise ist der Laden schon zu ... toller Ort.
Egal, wir wollen Fast Food, sofort ... also rein in die nächste Karaokebude mit Grill. Scheint als würden hier im Winter vor allem die Russen feiern. Russland ist an dieser Stelle keine 20 Kilometer entfernt. Neben Discobeschallung gibt es für uns Pepsi Maxx, für Karl einen Burger mit zusätzlich Rentier-Fleisch und Pommes und für mich einen Beefsteak-Salat. Sehr gut, passt doch alles zusammen ... wir beide hier oben im finnischen Nirgendwo. :-)



24.08.2016: Tag 19 - Pieni Karhunkierros

Heute ist einer dieser perfekten Tage in Lappland. Zwar kühl, aber wunderbar sonnig und im Sonnenschein daher angenehm warm, dabei keine Wolke, alles wirkt klar.
Nach dem Frühstück fahren wir nach Juuma, ein bisschen aufgeregt sind wir beide schon. Wir können es nämlich irgendwie nicht recht glauben. Wir sind zurück im Oulanka Nationalpark, dem für mich bisher schönsten Flecken Finnlands. Im letzten Jahr waren wir hier eine Woche unterwegs, sind wie viele Finnen über einige Kilometer von Hütte zu Hütte gewandert, haben dort übernachtet und hatten zu viel Gepäck mit dabei. 14 Kilo wog mein Rucksack, damit mindestens 5 Kilo zu schwer. Auf dem eigenen Rücken, während es Waldwege, teils sehr steinig, teils mit viel Wurzelwerk, rauf und runter geht, ist jedes Gramm zu viel eine Qual. Aber ohne Erfahung lässt sich das nicht vermeiden, beim nächsten Mal sind wir schlauer. Wir wissen jetzt besserwas man wirklich braucht.

Da Oulanka von zu Hause aus aber so weit entfernt scheint und auch nicht gerade ohne große Umwege zu erreichen ist (im letzten Jahr über Paris und Helsinki, per Inlandsflug nach Kuusamo und weiter mit dem Bus), hätte ich nicht gedacht noch einmal herzukommen.
Gerade mal 14 Monate später stehen wir wieder hier. Bloß ist es jetzt nicht Mitte Juni, sondern Ende August. Keine Millarden an Mücken, dafür viel mehr Finnen auf dem Weg.
Die Kleine Bärenrunde ist lediglich eine angenehme Tagestour und sehr, sehr, sehr beliebt bei den Finnen. Die Große Bärenrunde ist eine Mehrtagestour. Beide Strecken verlaufen in Juuma für ein paar wenige Kilometer parallel. Kommt uns ein Wanderer mit großem Rucksack mit Schlafsack und Isomatte entgegen ist das eindeutig ein Bestreiter der großen Runde, wie wir im letzten Jahr. Ein bisschen Neid kommt schon auf. Und weil das Wetter so perfekt ist und die Finnen noch längst Ferien haben, ist einiges los. Am liebsten möchte man denen ja auch gleich erzählen, dass man die große Runde schon längst selbst absolviert hat.

Wir machen Pause an einer der Hütten mit Schlafmöglichkeit und Feuerstelle, direkt am Fluß und an einem Wasserfall. Beim Blick in die Hütte muss ich grinsen. Im letzten Jahr war drinnen alles gut besetzt, der Tag war verregnet und hier drinnen war es Dank Feuer schön warm. Wir waren die einzigen Deutschen, haben zwischendurch immer unsere Müsli- und Eiweißriegel gefuttert und erst abends warm gekocht, während die Finnen bei jeder Gelegenheit ein Feuer anzünden und etwas Warmes essen. Im letzten Jahr hatte gefühlt jeder Kartoffelbrei und Thunfisch dabei, heute Würstchen zum Grillen. Die Mentalität der Finnen an dieser Stelle ist einfach nur toll! Wandern ist in Skandinavien Volkssport, gerade die Jüngeren machen sich auf mehrtätige Touren. Überalles gibt es Feuerstellen, passendes gehacktes Holz und das Werkzeug dazu. Wo findet man das bei uns? Wir haben schon so oft überlegt, wo man bei uns zu Hause überhaupt mal schön außerhalb des eigenen Gartens oder Balkos grillen könnte? Schon alleine der Gedanke eines mehrtätigen Wanderweges mit Hütten zum Übernachtungen würde nach unserer Vortellung leider missbraucht werden. Das Verständnis für die Natur und das Leben mit der Natur ist bei uns völlig anders. Mag aber auch sein, dass wir für andere Menschen auch ein interessantes Völkchen sind. Ich finde es zumindest unheimlich sympatisch wie die Finnen da alle gemeinsam am Feuer sitzen, man setzt sich einfach dazu, packt sein Würtschen aus, rauf auf den Grill und jeder gute Finne hat die Tube Senf im Rucksack. Man redet nicht viel, aber sitzt gerne zusammen. Finnen sind schon etwas anders als die anderen Skandinavier. Das konnten wir im letzten Jahr schon beobachten. Da sitzt man abends abgekämpft und hungrig zusammen am Feuer, 4 finnische Paare und wir beide, alles schweigt. Nur Karl und ich müssen diskutieren und erzählen ... ja, so ist das normal wenn mich das Adrenalin vom Tag noch packt ... was eine Dusche im Fluß und ein improvisiertes Abendessen und anschließend Schokolade so machen können. Kann sein, dass mein für die Finnen unverständliches Gerede dann doch zu anstrengend war ... die sind alle immer so früh in ihren Schlafsäcken versunken. Egal, eingeholt haben wir die am nächsten Tag eh wieder. Wir reden viel, brauchen dafür aber nicht so viel Kartoffelbrei. ;-)

Am 25.06.2015 haben wir beide genau an dieser Hütte gesessen, haben geflucht, gelacht und waren am nächsten Tag bei der Ankuft in Ruka mächtig stolz auf uns. Da hätte ich ja nicht gedacht, dass ich ein Jahr später heiraten würde. :-)
Der kleine Umweg zurück in diesen Teil der finnsichen Unendlichkeit hat sich gelohnt! Ich könnte hier bleiben.



25.08. - 27.08.2016: Tag 20 bis 22 - Ruka - Jyväskylä - Lahti - Helsinki - Auf See = 6.078 km

Die restlichen Tage unserer Reise sind letztendlich doch der reinen Rückfahrt gewidmet oder anders ausgedrückt, jetzt haben wir nicht nur Norwegen in seiner vollen Länge durchquert, sondern auch Finnland. Die geballten Nightwish-Alben haben gefehlt, die Finnen machen so gute Musik, da kommen so viele Erinnerungen von vor 10 Jahren hoch. "End of all hope" war jetzt zwar nicht bei uns der Fall, wäre in dieser finnischen Straßenweite in den endlosen Wäldern und Seen links und rechts, aber ein guter Antrieb gewesen. Immerhin ist die E75 im Großraum Oulu an der Ostseeküste als Autobahn ausgebaut, geht dann aber doch wieder in die ewige "B1" über.

Zwischenübernachtung in einem kleinen Hotel bei Jyväskylä und dann geht es am Freitag recht früh los Richtung Hafen von Helsinki. Wir wollen lieber vorsichtig sein, gerade was den Verkehr rund um Helsiniki angeht, den wir nichts einschätzen können, und bauen ein paar zeitliche Puffer ein. Kurz vor Lahti, knapp 150 Kilometer vor Helsinki, geht die E75 in eine gewöhnliche Autobahn über, 120 km/h, das gibt fast ein Gefühl von Reisen zu Hause. Nach 3 Wochen unterwegs, jeden Tag für eine längere mal kürzere Zeit im Auto, was trotz schönster Landschaft und tollen Eindrücken, auch die letzten Kräfte rauben kann, tut es auch durchaus gut, davon wieder etwas Abstand nehmen zu können. Ich habe für mich das Gefühl, der Drang rauszukommen und die Welt zu sehen, wäre jetzt erstmal für eine gewisse Zeit gut gedämpft. Erstmal hinsetzen, verdauen und alles in den Langzeitspeicher packen. Es gibt viel zu erzählen und was man nicht alles erlebt und erfahren hat, gelingt eh erst mit einem gewissen Abstand zu reflektieren. Bei mir bleibt sowas zum Glück immer hängen.

Nach dem Check-In fahren wir um 15 Uhr im Konvoi auf das Fährschiff. Ich habe schon so häufig längere Seestrecken per Fähre bestritten, zuvor auch schon 3 Mal an anderen Terminals in Helsinki, noch nie ging es aber mit dem Auto quer durch den Frachthafen mit eigenem Bahnnetz, vorbei an den gebauten Hochhäusern aus Containern aus aller Welt. Unser Schiff liegt irgendwie ganz hinten.
Anfang Februar war die Fähre schon so gut wie ausgebucht, uns blieb also nichts anderes übrig als uns eine 4-Bett-Kabine zu nehmen, natürlich außen gelegen, bei einer Fahrzeit von immerhin 30 Stunden auch gar nicht übel. Bekanntermaßen gibt es auf den Schiffen, egal ob Fähre oder Kreuzfahrtschiff (zumindest auf den Aida-Schiffen) nie ausreichend und vor allem schöne Pätze um einfach mal ungestört lesen zu können. Ich persönlich kann es leider gar nicht leiden, wenn mir der Wind um die Ohren schlägt. So haben wir ein schönes großes Doppelbett, Sofa, jede Menge Platz, um sich Auszubreiten und ein riesiges Fenster, in das man sich sogar hineinsetzen kann. Und das mache ich gerade. Mein Laptop und ich passen genau hier rein, schön in die Sonne, direkt mit Blick auf das Meer und die ganz leichten vorbeiziehenden Wellen. Neben mir ein Windpark und davor ein großer Frachter, hach sehr gut, weiter so.

Passend zu Kabine haben wir uns zum Ende der Reise auch das passende Abendbuffet und einen Brunch am Mittag statt normales Frühstück gegönnt. Am Abend also Muscheln, Garnelen, eine gute Fleischauswahl und Beerenkuchen zum Nachtisch. Und zum Brunch um kurz vor 12 Uhr lauter leckere warme Kleinigkeiten, noch einmal unseren geliebten Hering in Tomatensauce, Pfannkuchen mit Vanillesauce, dazu noch etwas Apfelkuchen und frische Kirschen. Brunchzeit war bis 13 Uhr. Das haben wir ausgenutzt und endlich mal so richtig ausgeschlafen.

Um 21:30 Uhr deutscher Zeit werden in Travemünde ankommen, dann schließt sich der "Rundweg" wieder. Parallel fährt sogar gerade die Fähre nach Trelleborg, also von Tag 1, an uns vorbei.
Danach folgen noch 350 Kilometer zurück nach Paderborn, es wird also doch ein Trip bis in die Nacht. Und morgen früh sind wir dann wieder zurück. Ich kann mir das gerade nicht so richtig vorstellen. Meistens geht alles so schnell, dass man sich irgendwie wie plötzlich "ausgespuckt" fühlt, von jetzt auf gleich eine andere Welt. Immerhin bewegen wir uns noch per Schiff und Auto, das Gefühl für die Weite der Welt (und wir erinnern uns an Finnland) bleibt also erhalten. Ganz anders als das Gefühl nach einem 40-Stunden-Marathon per Flugzeug mit Rückreise aus Kanada oder den USA mit Umsteigen. Rein ins Flugzeug und wieder raus, dazwischen versuchen zu schlafen, essen, Filme am laufenden Band. Das kippt immer ein wenig das Gefühl die Entfernung, "auf einmal ist man da". Ist aber trotzdem spannend und birgt seine ganze eigenen Geschichten. ;-)

Ein kompletter Roadtrip, war immer mein Traum, Traumziel war das Nordkap. Heute vor genau 3 Wochen sind wir am frühstens Morgen in Paderborn gestartet. Das die Zeit im Flug verging, kann ich nicht gerade sagen. Sie war sehr intensiv und hat meinen Kopf ordentlich zum Rödeln gebracht. Das war nicht immer positiv. Ich habe einige Baustellen, die ich angehen will.
Ein Urteil zu Reise möchte und kann ich jetzt noch gar nicht fällen. Zum Reflektieren brauche ich erstmal Abstand. Ich weiß nur, dass 3 Wochen im Auto in manchen Stunden zu viel waren. Oder 21 Tage, 19 verschiedene Betten, wenn ich mich spontan nicht vertue. Hier und da hätte etwas weniger Tempo gut getan. Ich wollte das unbedingt ausprobieren und bin unheimlich stolz, dass es geklappt hat. 3 Wochen zu zweit, haben uns auch gut getan. Unsere Umsetzung einer wunderschönen Hochzeitsreise.
 

28.08.2016: Tag 23 – Wieder zu Hause um 03:21 Uhr – nach 6.078 Kilometern!

 

Ich weiß von dem ein oder anderen, dass er mitgelesen hat. Dafür vielen lieben Dank! Das freut mich unheimlich! Es war nämlich nicht immer leicht zu schreiben wenn am Abend eigentlich schon die Augen zufallen oder das WiFi dann doch nicht so gut mitmacht.
Danke, dass du oder ihr uns begleitet habt. Ich würde mich unheimlich freuen, wenn du oder ihr einen ganz kurzen Kommentar hinterlassen würdet, mich würde interessieren wer mitgelesen hat. :-)

Liebe Grüße,
Christina

 

 

In den Ohren: Coldplay – Fun (A head full of dreams)